Dienstag, 27. März 2012

Vom Rekordtumor, meiner ersten AE und dem Kuchen

Heute war ein toller Tag. Endlich, endlich, endlich durfte ich bei einer richtig großen Bauch-OP mit Laparotomie (Bauchschnitt) assistieren. Darauf habe ich seit viereinhalb Wochen gewartet =) Die Patientin: eine Frau mitte sechzig, die sich kürzlich bei ihrem Hausarzt wegen Schwindelattacken vorstellte. Bei der körperlichen Untersuchung stellte dieser dann, mehr oder weniger zufällig, eine deutliche Resistenz im Unterbauch fest, woraufhin er die Dame zu uns schickte. Im Ultraschall zeigte sich dann ein Fußball-großer Tumor, der das komplette Becken ausfüllte und durch die vorgewölbte Bauchdecke deutlich tastbar war. Man vermutete ein Ovarial-Carcinom, weshalb sie heute bei uns operiert wurde. So einen großen Tumor habe ich noch nie gesehen. Er war wirklich Kopf-groß und ging vom rechten Ovsar aus. Überraschenderweise war er glatt abgrenzbar und das Bauchfell erweckte nicht den Eindruck einer Carcinose (häufiger Streuungsort bei Ovarial-Ca). Wir holten den Tumor also im Gesamten raus und dieser wurde sofort rüber zu den Pathologen gebracht. Diese fertigten einen Schnellschnitt an und bestätigten dann telefonisch: es handelte sich hier tatsächlich um KEINEN malignen Tumor, was wir eigentlich bei dieser Größe erwartet hätten. Allerdings konnte ein Borderline-Tumor nicht ausgeschlossen werden (hierbei handelt es sich um Tumoren, die zwar nicht invasiv wachsen, allerdings trotzdem metastasieren können). Der Pathologe diagnostizierte ein "Kystom", dies ist ein zystenbildender Tumor.
Da ein Borderline nicht ausgeschlossen werden konnte, wurden, um therapeutisch auf der sicheren Seite zu sein, zusätzlich ein Teil des großen Netzes sowie des Peritoneums mitentfernt. Außerdem, "da wir nun schonmal drin" waren, entschied der Chef, auch die Appendix (Blinddarm) zu entfernen. Was weg ist, kann sich auch nicht entzünden. "Das ist für Sie, Frau Biehl!" So kam ich zu meiner ersten Appendektomie =o) Klemme, Ligatur, Absetzen mit dem Skalpell, Tabaksbeutelnaht, fertig. Da hat sich das Lenschn aber gefreut. "Da ich Ihnen unterstelle, dass Sie das zum ersten Mal gemacht haben, wird Sie das einen Kuchen kosten!" Nun ja, das nehme ich in Kauf ;) Beim Absetzen des Netzes durfte ich außerdem ganz viele Ligaturen knoten. "Sie wissen schon, wenn die Frau jetzt heute Nacht einblutet, dann wird Dr. Felix Sie anrufen. Dann dürfen Sie zum Assistieren antreten, denn dann haben Sie's vermurkst!" Man, habe ich diese Bauch-OPs vermisst =o) Da fallen mir dann auch immer tausend Fragen ein. "Frau Biehl, Sie stellen gute Fragen. Sie denken mit. Als denkende Person wären Sie in der Chirurgie doch total falsch aufgehoben! Überlegen Sie sich doch noch einmal, ob nicht doch Gyn das richtige für Sie wäre!" "Solche schönen offenen Bauch-OPs gibt's halt leider in der Gyn viel zu selten!" "Ach, das ist der Grund? Da kriegt sie ja richtig Leuchten in den Augen!" ;)
Am Ende durfte ich dann noch den riesenlangen Schnitt zutackern. Somit war der Tag perfekt *strahl*

Zwar nur ein kurzer Eintrag für heute, aber den wollte ich euch nicht vorenthalten!

Liebe abendliche Grüße vom See!

P.S. auf die Frage, ob sie diesen Tumor nicht bemerkt habe, meinte sie nur: jaja, sie hatte sich ja schon seit ner Weile gedacht, dass da was nicht in Ordnung sei, aber sie habe es nicht wahr haben wollen =/ Welch ein Segen, dass es sich um keinen malignen Tumor handelt!

P.P.S. Die Schwindelattacken könnten schmerzbedingt begründet sein. Evtl. hat der Tumor aber auch, je nach Körperlage, die Vena cava abgedrückt. Dieses Problem kennt man auch von Schwangeren, wenn das Kind auf die Vene drückt.

1 Kommentare:

jugam hat gesagt…

Hallo Lenschen,
das ist ja immer wieder hoch interessant. Und der medizinische Laie lernt dabei auch noch was..:-) Wusste gar nicht, dass man in der Medizin auch von "Borderline" spricht, ich kannte das bisher nur aus der Psychologie.
Viele Grüße vom Baggersee an den Bodensee.

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