Mittwoch, 12. Mai 2010

Valborg und Endspurt in Schweden

Am 30. April wurde in Schweden Valborg, Walpurgisnacht gefeiert. Nach einem langen, skandinavischen Winter, freuen sich alle darauf, die winterlichen Geister zu vertreiben und den Frühling zu begrüßen. Außerdem wird dieser Tag auch als akademischer Feiertag genutzt, an dem Studenten bei unterschiedlichen Festlichkeiten und Umzügen ihre Universität repräsentieren. Gefeiert wurde bereits zur Mittagszeit an unterschiedlichen Orten der Stadt. Bis zum Mittag saßen wir aber noch in der Klinik fest und quälten uns durch Vorlesungen und Seminare. Netterweise fielen allerdings die Nachmittags-Vorlesungen aus, was uns allen sehr entgegen kam. Leider war das Wetter nicht so wie erwartet. Statt strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen wie in dein Jahren zuvor gab es kühles Wetter, wolkenbedeckter Himmel und Nieselregen. Hallo, Frühling! Nunja, wirklich in Feierstimmung kommt man da doch erst mal nicht. Gefeiert wurde trotzdem. Um viertel nach sechs begann die Cortège: ein großer Umzug, organisiert von der Chalmers-Universität, quer durch die ganze Stadt. Wir erwarteten einen karnevalartigen Umzug und die Musikkapellen, die hin und wieder an uns vorbeizogen, erinnerten auch sehr stark daran. Allerdings ging es hauptsächlich um politische Thematik - jeder Umzugswagen beschäftigte sich mit einem bestimmten Thema wie z.B. Klimagipfel, Familienpolitik, Klimaveränderungen usw. Aber auch Personen, die im vergangenen Jahr Schlagzeilen machten, kamen auf ihre Kosten, wie z.B. Michael Jackson. Die Studenten hatten offensichtlich keine Kosten und Mühen gescheut, um sich gegenseitig in Kreativität, Gestaltung und Originalität zu übertreffen. Der Umzug war wirklich beeindruckend.




Gegen 21 Uhr stiefelten wir dann von der Innenstadt in Richtung Slottsskogen, in dem das große Valborg-Lagerfeuer entzündet werden sollte, um die Wintergeister zu vertreiben. Aufgrund des Wetters war nicht annähernd so viel los wie normalerweise zu diesem Anlass und so konnten wir uns direkt in unmittelbarer Nähe platzieren. Eine Gruppe von Hexen und anderen seltsamen Gestalten veranstalteten einen Feuertanz und entzündeten schließlich den riesigen Holzhaufen. Dieser begann erst mal nur extrem zu qualmen und schmoren, da das Holz in den letzten Stunden einiges an Regenwasser abbekommen haben musste. Gerade als unsere Enttäuschung einsetzen wollte, begannen jedoch die Flammen zu schlagen und ein unglaubliches Feuer entfachte. Die Begeisterung war groß und wir wurden alle kräftigst eingeräuchert ;) Aber trotzdem genossen wir das Spektakel in vollen Zügen, auch wenn wir wussten, dass wir unsere Klamotten am nächsten Tag wohl nicht mehr würden anziehen können. So war es dann auch. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt! Wir ließen es uns auch nicht entgehen, lustige Fotos vor dem beeindruckenden Feuer-Hintergrund zu schießen.

Die Bilder kannst du hier anschauen:
Unitechnisch geht es jetzt langsam aber sicher aufs Ende des Semesters zu. Nächste Woche am Donnerstag haben wir bereits unsere abschließende Klausur in Pädiatrie und dann ist meine Zeit in Schweden auch schon fast vorbei. Obwohl ich eine tolle Zeit hier hatte, freue ich mich doch wieder sehr auf zu Hause. Aber zuerst kommt Tobi mich noch ein mal besuchen *froi* und wir werden für neun Tage ein wenig durchs Land reisen. Gestern haben wir mal einen groben Plan erstellt, was wir uns alles ansehen möchten und jetzt müssen wir auch langsam aber sicher in die konkretere Planung übergehen. Ich freue mich total und kann es kaum erwarten. Nun muss ich aber erst noch die Klausur durch- und hoffentlich auch überstehen und dann kann's losgehen =)
Euch allen einen schönen Feiertag morgen!
Liebe Grüße aus dem verregneten Göteborg (von wegen Frühling)!
Lena

Mittwoch, 21. April 2010

Meiner lieben Schwester Mira...

... widme ich diesen Beitrag. Der Beschwerde ihrerseits, ihren Besuch in meinem aktuellsten Post nicht erwähnt zu haben, kann nur mit folgender Begründung entgegengetreten werden: der Besuch ist eines eigenen Eintrages wert!!! ;)
Am Abend des 12. Aprils landete meine Schwester, zusammen mit zwei Arbeitskolleginnen, in Göteborg. Es war Miras erster Flug und ich war sehr gespannt, wie sie ihn wohl überstanden hatte. Denn nur wenige Tage zuvor erfuhr sie von einer Freundin, dass diese mit Ryanair vor kurzem beinahe abgestürzt sei. In der Tat nicht gerade die aufmunternste Nachricht, wenn man sich mental auf den ersten Flug seines Lebens vorbereitet.
Als ich, drei Stunden früher als ursprünglich geplant (das ist nochmal ne andere Geschichte *g*), am Nils Ericsson-Terminalen ankam, warteten die drei bereits gutgelaunt in der Sonne. Deutschland hatten sie nämlich bei Regen und kalten Temperaturen verlassen, in Göteborg zeigte sich der Frühling von seiner Schokoladenseite. Wir begrüßten uns und als wir in Richtung Jugendherberge aufbrechen wollten, stellte ich fest, dass ich das vorerst Grundlegendste, das Fahrticket für die drei zu Hause auf meinem Schreibtisch hatte liegen lassen. Nicht sehr günstig. Da die einzige Alternative darin bestand, ein neues Ticket für nicht wenig Geld zu kaufen und neu aufzuladen, fuhr ich nochmal alleine nach Hause und holte das Ticket. Dann konnte es endlich los gehen. Die anderen hatten bereits passende Tram und entsprechende Haltestelle herausgesucht und so starteten wir in Richtung Olivedalsgatan. Von dort aus sollte uns dann Miras Stadtkarte die letzten Meter bis zur gebuchten Unterkunft führen. Aber das war einfacher gesagt als getan, denn Mira, das Orientierungs-Talent, lozte uns erst mal promt in die falsche Richtung. Dies wurde jedoch relativ schnell festgestellt und zehn Minuten später traten wir durch die Türen des Slottsskogen Vandrarhem. Das Zimmer wurde bezogen und da alle regelrecht ausgehungert schienen, machten wir uns auf die Suche nach einem gemütlichen Restaurant. In der Rumpanbar wurde dann der erste Kontakt mit schwedischen Menu-Karten gemacht. Meine erste Feststellung: seit ich in Schweden angekommen bin, war ich noch nie wirklich in einem Restaurant essen. Zweite Feststellung: Mit kulinarischem Wortschatz kann ich nach wie vor nicht prahlen. Trotzdem war unser Essen durchaus lecker und es passierten keine großen Überraschungen. Etwas schwierig wurde es dann nochmal, als es ums Bezahlen ging - zahlt man in Schweden Trinkgeld? Wegen Feststellung zwei konnte ich auf diese Frage nicht antworten und bevor es peinlich werden konnte, rief ich kurzer Hand Matthias an. Dieser meinte, dass in Schweden Trinkgeld bereits in die Preise eingerechnet seien und man deshalb ganz genau das zahlt, was auf dem Zettel steht. Da wir eine Gesamtrechnung bekamen, mussten wir uns selbst ausrechnen, was jeder zu zahlen hatte und sehr komisch war auch, dass der Kellner nicht mit einem Geldbeutel an den Tisch kam, sondern die einzelnen Scheine von uns einsammelte, hinter die Theke lief und einige Zeit später mit dem abgezählten Wechselgeld zurück kam. Nunja. Mit Karte zahlen ist hier halt einfach üblicher. Aber so habe ich immerhin auch wieder was dazugelernt.
Die späten kalten Abendstunden wurden dann noch genutzt, um einmal gemütlich durch die Innenstadt zu schlendern und wir ließen uns zu einem Getränk im Hardrock-Café nieder. Die anderen drei waren jedoch müde und durchgefroren und ich hatte eine Uni-Woche vor mir und so waren wir gegen zwölf Uhr "bereits" wieder "zu Hause".
Ziemlich schade, dass die drei nur unter der Woche und nicht am Wochenende da waren, denn ich hatte, wie eben erwähnt, Uniprogramm auf dem Plan. So sahen wir uns dienstags abends nur ganz kurz und Mittwoch Abend noch einmal auf ein Getränk. Ich hatte im Vorfeld bereits eine Stadtkarte mit, meiner Meinung nach, lohnenswerten Ausflugsorten präpariert und so gestalteten sich die drei volle, abwechslungsreiche Tage. Das Wetter spielte mit, der Frühling wollte garnicht mehr aufhören mit Prahlen. Und so konnten sie die Tage voll und ganz nutzen. Ich denke, sie waren angetan von der Stadt. Ist ja auch wirklich schön, bei tollem Wetter =o) (das an dieser Stelle mal sagen muss).
Donnerstags stand dann nach dem obligatorischen Kakabuffet (Kuchenbuffet) im Café Villekulla bereits die Rückreise an. Ich saß mittags in abgedunkeltem Raum bei einem Radio-Seminar, als mich mehrere SMS erreichten: "bitte ruf uns an, ist dringend". Also rief ich zurück und erfuhr, dass wegen eines Vulkanausbruches in Island der ganze Flugverkehr lahmgelegt wurde und die drei nun am Flughafen festsaßen und nicht wussten, wie und wo hin. Ich begann sofort zu überlegen und zu organisieren, wo die drei evtl. eine weitere Nacht übernachten könnten und las im Internet über die Ausmaße des Vulkanausbruches. Mira rief aber bald ein weiteres Mal an und erzählte, dass sie die Reise per Zug antreten wollen, da ja alle wieder zur Arbeit müssen in kürzester Zeit. Und so begann für sie leider eine anstrengende und teure Rückreise.
An dieser Stelle: Danke dafür, Eyjafjallajökull!!!
Ich habe mich wirklich sehr über euren Besuch gefreut und finde es total schade, dass wir nur so wenig Zeit wirklich miteinander hatten. Trotzdem hoffe ich, dass ihr die Tage genossen habt und vielleicht irgendwann mal wieder in Richtung Norden reist! Schade, dass der Trip so unbequem endete und Mira damit einen zweiten tollen Flug verpasste (mit ununterbrochen aus dem Fenster Schauen und über physikalische Phänomene beim Fliegen philosophieren, während die anderen gelangweilt pennen *g*).
Schön, dass ihr da ward! =o]

Sonntag, 18. April 2010

Zu Hause ist es doch am schönsten

Über diesen Satz macht man sich lustig, solange man zur Schule geht und lernt ihn zu schätzen, wenn man das Nest verlässt, um für das anstehende Studium in eine andere Stadt zu ziehen. Aber noch mehr zu schätzen lernt man diesen Satz, wenn man sich für ein erlebnisreiches Auslandsjahr nach Skandinavien begibt und nur für besondere und leider auch nur kurze Anlässe wieder nach Hause fliegt. An Ostern war so ein Anlass. Am ersten April nahm ich den Flieger von Göteborg nach Frankfurt Hahn und fuhr von dort aus mit dem Shuttle-Bus bis nach Heidelberg. Aber allein dieser Schritt war schon nicht so selbstverständlich. Denn wir hatten, was eigentlich untypisch ist für Ryanair, eine viertel Stunde Verspätung. Der letzte Shuttle-Bus des Tages sollte um acht Uhr, also eine halbe Stunde nach meiner planmäßigen Ankunft, den Flughafen verlassen. Nun hatten wir fünfzehn Minuten Verspätung. Ich machte mir natürlich sofort Sorgen wegen des Busses, aber ich dachte mir, dass er sicher warten würde, da er ja einzig und allein für die Flugpassagiere angelegt ist. Ich beeilte mich, mein Gepäck vom Band zu holen und hatte das Glück, dass mein Rucksack gleich am Anfang mit dabei war. Das Gebäude verlassend stellte ich fest, dass der Bus nicht direkt vor dem Eingang abfuhr sondern dreihundert Meter weiter auf einem extra Parkplatz. Eiligen Schrittes lief ich dort hin und konnte gerade noch so in den Bus springen, als dieser bereits den Motor anließ und nach mir die Türen verschloss und den Parkplatz verließ. Im Bus saßen vielleicht 15 Personen. Der Bus wartet auf die Fluggäste? Weit gefehlt. Will garnicht wissen, wieviele Leute an diesem Abend schauen mussten, anderweitig nach Hause zu kommen. Denn einen Bahnhof gibt's ja in Hahn auch nicht. Warum solche Busse nicht warten, ist mir wirklich nicht klar. Zum Glück erwischte ich ihn und in Heidelberg wurde ich von meinem Vater abgeholt.
Es folgte eine wunderschöne Woche bei meiner Familie, inklusive dem 80. Geburtstag meiner Großmutter. "Freie" Tage wurden zum Spazierengehen, Tischtennisspielen, Bowlen, Schischa-rauchend und Havana-Cola trinkend in der Sonne Chillen u.v.m. genutzt. Ich genoss die Woche in vollen Zügen und als sich meine Rückreise näherte, wurde ich fast traurig. Am liebsten wäre ich einfach zu Hause geblieben, die Frühlingsstimmung hatte mich gepackt. Ich schaute im Internet nach dem Wetter in Göteborg: 7 Grad bei Wolken und Regen. Na super. Aber es half alles nichts, ich packte meine Siebensachen und machte mich auf den Weg zurück in den Norden.
Dort angekommen, hatte mich der Alltag schnell wieder eingeholt. In selbiger Woche folgten noch ein Tag auf der Kinderstation, die im Allgemeinen sehr stressfrei war. Ich nutzte viel Zeit zum Stöbern im Internet nach Ursachen von Fieber unklarer Genese, denn so eine Patientin lag auf der Station und der behandelnde Arzt, ein Deutscher, schien genauso planlos wie ich. Also surften wir nach den exotischsten Krankheitsbildern und philosophierten über Krankheiten wie Bruzellose, Leptospirose, Rattenbissfieber... - Krankheiten, die man beim Lernen auf Klausuren eigentlich weglässt, da sie eh so selten sind, dass man sie vermutlich nie zu Gesicht bekommen wird. Am Nachmittag wurde das kleine, 4-monatige Mädchen noch einer Lumbalpunktion unterzogen, bei welcher durch eine Punktion des Spinalkanals Liquor entnommen wird. Leider traf der Arzt nicht gleich beim ersten Mal und so musste er zwei Mal stechen. Armes Mädchen. Aber ich habe diese Untersuchung noch nie zuvor gesehen und war deshalb sehr interessiert bei der Sache.
Diese Woche galt dann der Radiologie, ein kleiner Exkurs, etwas fort von den Kindern. Die Vormittage bestanden aus Vorlesungen und Nachmittags durften wir dann in Kleingruppen selber ran: anhand einer kurzen Anamnese scrollten wir uns durch CTs, MRTs und schauten uns Röntgenbilder, Urographien u.v.m. an und versuchten die Ursache für das Leiden der Patienten zu finden. Dieses Detektivspielen machte mir eigentlich richtig viel Spaß und Anatomie hat mir ja auch schon immer gut gefallen. Bei der Nachbesprechung war man dann stolz wie Oskar, wenn man den/die/das verantwortlichen Tumor, Stein, Aneurysma, Ruptur u.a. gefunden hatte. Öfter befanden wir uns aber auch auf total falschem Weg und mussten frustriert feststellen, dass es sich bei unserer als unbedenklich zu bewertender Daromstomie um einen Bruch handelte. Nunja. Sind ja auch noch nicht so geübt im befunden ;) Aber generell hat mir die Woche ganz gut gefallen. Manchmal waren jedoch leider die "Kleingruppen" zu groß, der Lerneffekt dann entsprechend gering. Aber hin und wieder durften wir in Zweiergruppen arbeiten und das war dann wirklich lustig. Die Radiologie-Woche wurde dann mit einer mündlichen Prüfung am Freitag-Nachmittag abgeschlossen. Ich wurde zusammen mit Corinna (aus Berlin) und Brigitta (von hier) beim Cheffe persönlich geprüft. Eigentlich machte ich mir voll keinen Stress. Die Prüfung wurde auch im Voraus als (ich zitiere den Chef): "Nettes kleines Gespräch. Zumindest für uns", angekündigt und bisher waren die mündlichen Prüfungen ja immer ganz gut machbar. Außerdem war den Prüfern klar, dass wir in dieser Woche nicht groß Lernzeit hatten und so erhoffte ich mir wirklich ein entspanntes Gespräch. Pustekuchen. Wurde gleich mal bei der ersten Frage voll erwischt mit einem Thema, das ich einfach nicht konnte. Super Start. Generell lief es so, dass ihm bei jeder Antwort, die er auf eine Frage erhielt, wieder ein neues Stichwort für eine weitere noch mehr vertiefende Frage einfiel. Und so brachte er uns drei ganz schön ins Schwitzen. Er ist eigentlich auf Uro-Radiologie spezialisiert und so hatte ich mir dieses Thema besonders gut angeschaut. Aber zu diesem Thema kam dann keine einzige Frage dran. Jedem wurde auch ein Röntgenbild gezeigt. Zu meinem Pech: Lungen-Röntgen, was ich überhaupt nicht kann. Hatte aber Glück im Unglück und erriet richtig, dass es sich bei meinem Bild um Herzversagen handelte. Aber das Unglück war damit nicht beendet, denn dann, als ich mich gerade über mein Glück, richtig geraten zu haben, freute, kam die Frage: "Wie behandelt man das denn?" Tja. Gute Frage. Die Antwort wüsste ich vielleicht, wenn ich Kardiologie schon hatte. Hatte ich aber nicht. Überlegte dann nen Moment, ob ich einfach schon wieder sagen sollte: "weiß ich nicht", oder ob ichs mit: "Den Kurs hatte ich leider noch nicht (und kann's deshalb garnicht wissen)" versuchen sollte. Ich entschied mich für zweiteres und es traf auf Verständnis. Allerdings fiel es mir dann trotzdem ein, als meine Mitprüferin auch nicht darauf antworten konnte und sammelte ausnahmsweise mal nen kleinen Extrapunkt. Insgesamt lief die Prüfung nicht wirklich gut, aber es reichte trotzdem (wie eigentlich immer hier). Wir waren (wie immer) alle "duktiga" und verließen "godkända" (bestanden) nach einer Stunde Schwitzen den Raum. Uff.
Nächste Woche bin ich in der Kinderchirurgie eingeteilt. Habe gehört, dass da vormittags hauptsächlich Seminare laufen und man sich nachmittags selbst aussuchen kann, wo man mitläuft. Bin mal gespannt, wie das wird. Generell ist ja Chirurgie immer erstmal grundsätzlich toll.
Insgesamt sind es nur noch vier Wochen Pädiatrie, am 20. Mai habe ich dann Abschlussprüfung. Und dann heißt es noch ungefähr 2-3 Wochen chillen, Leute treffen, Umgebung erkunden, Wetter genießen, rumreisen und vieles, vieles mehr. In der zweiten Juniwoche geht's dann endgültig zurück nach Deutschland. Freue mich schon total auf den Sommer zu Hause! Das Frühlingswetter ist solangsam auch in Göteborg angekommen mit strahlendem Sonnenschein, 15-20 Grad in der Sonne aber leider noch eiskaltem Wind. Trotzdem freue ich mich darüber und hoffe, dass es noch etwas sommerlicher wird bis ich wieder nach Hause reise.
Entspannte Sonntagsgrüße in die Heimat,
Lena =o]

Mittwoch, 31. März 2010

Von Husten, Schnupfen, Fieber und Bauchschmerzen

Nun habe ich schon beinahe meine ersten zwei klinischen Wochen in der Pädiatrie hinter mir. Gleich in der ersten Woche wurde ich "utlokaliserad", also ausgegliedert (?) in das Krankenhaus in Borås. Ist eigentlich immer ganz spannend, auch andere Krankenhäuser kennen zu lernen und ein paar Tage in deren Abläufe hineinzuschnuppern. Kleiner Nachteil: ich musste jeden Tag um 5:20 aufstehen, um gegen viertel nach sechs den Bus zum Hauptbahnhof zu nehmen, wo dann gegen viertel vor sieben der Bus nach Borås startete. Eine gute Stunde später kam ich dann dort an. Dieses frühe Aufstehen schlauchte doch ganzschön und ich kam wieder ins Grübeln, wie ich das nur bei meiner ersten Famulatur geschaffte hatte, jeden Tag um halb fünf aufzustehen. Und vor allem: wie werde ich das im Sommer schaffen, wenn ich wieder zwei Monate in gleichem Krankenhaus famulieren werde? Uff. Lieber nicht drüber nachdenken und zurück zu Borås. Hierbei handelte es sich um ein recht übersichtliches Krankenhaus mit einem sehr netten Team. Es wimmelte nur so von ausländischen Mitarbeitern, hauptsächlich Griechen und Deutschen. Am ersten Morgen wurden ich und mein Mitreisender Claes von der Sekretärin nett begrüßt und uns wurden Schlüssel ausgehändigt und der Weg zur Umkleide gezeigt. Um kurz nach acht begann dann die "morgonmöte" (Morgenbesprechung). Auch hier wurden wir von allen Ärzten sehr nett begrüßt. Am Vormittag begleiteten wir dann zwei Ärztinnen bei ihrer "rond" (Visite) auf Station. Ich war auf der Infektionen-Seite und Claes auf der Seite, auf der hauptsächlich Kinder mit Tumoren unterschiedlichster Art lagen. Diese Visite war ganz interessant und ich hatte eine nette "handledare". Allerdings war das Patientenspektrum meist sehr ähnlich. Die meisten Kinder hatten sich mit dem RS-Virus infiziert und hatten dadurch obstruktive Beschwerden der Atemwege. Die Kinder werden aufgenommen, bekommen immer wieder Inhalationen und wenn es ihnen besser geht, werden sie wieder heimgeschickt. So kam ich aber immerhin ein wenig zum Abhören, wovon ich ja bisher noch nicht wirklich Ahnung habe. Ist allerdings bei Kindern oft erschwert, wenn diese nicht so Lust darauf haben, abgehört zu werden und das Zimmer zusammenbrüllen. Dann ist es wirklich schwer, überhaupt etwas zu hören. Nachmittags war ich dann in der "akutmottagning", also in der Ambulanz. Auch dort war das Patientenspektrum ähnlich dem auf Station. Husten, Schnupfen und Fieber. Fast alle bekamen die gleiche Diagnose und wurden zur Inhalation geschickt. Joa. Also leider auch nicht so wahnsinnig spannend. Bin dann auch so gegen halb vier gegangen und war trotzdem abends, als ich endlich zu Hause war, so platt, dass ich total unmotiviert war, noch bisschen was nachzulesen.
Dienstags war ich dann bei der Visite auf der Tumor-Seite dabei. Hier sah ich unter anderem einen kleinen Jungen mit Leukämie und einen etwas älteren Jungen mit Osteosarkom (Knochentumor). Zweiterer hatte vor kurzem eine große Operation über sich ergehen lassen, bei welcher die komplette linke Beckenschaufel, ein großer Teil des Oberschenkelknochens und die Fibula entfernt wurden. Der Junge war total mager und hatte durch die begleitende Chemotherapie keine Haare mehr auf dem Kopf. Aber ich war hin und weg von der Ausstrahlung des Jungen, die durchweg positiv und fröhlich war. Ich fand das sehr beeindruckend. Außerdem sah ich ein kleines Neugeborenen-Zwillingspärchen, zwei Mädchen, von denen eines im Mutterleib im Wachstum gehemmt worden war und das nun gerade mal halb so groß war wie seine Schwester. Wenn man dieses kleine Kind sieht, dann erscheint einem das normalgroße Mädchen richtig riesig, obwohl es auch gerade mal einen halben Meter misst. Aber beiden ging es trotzdem recht gut. Mittags war ich dann in der "mottagning" (Sprechstunde) und sah dort Patienten mit Asthma, Coeliakie (Glutenunverträglichkeit), einen kleinen Patienten mit Verdacht auf Krampfanfälle und ein jugendliches Mädchen mit chronischen Bauchschmerzen. Dieser Nachmittag war ganz interessant, weil man mal andere Krankheitsbilder zu Gesicht bekam. Während die Ärztin zwischendrin die Patientenberichte diktierte, las ich dann immer die entsprechenden Krankheitsbilder noch einmal im Buch nach. Damit auch etwas hängen bleibt von dem was ich sehe und höre =).
Mittwochs war ich dann morgens auf der Neugeborenenstation und war bei der Erstuntersuchung der Kleinen dabei. Hierbei werden Herz und Lunge abgehorcht, die Kinder werden inspiziert, ob alles "normal" aussieht und alles vorhanden ist was vorhanden sein soll, es werden Reflexe überprüft wie z.B. Moro-Reflex, Schreit-Reflex, Klammer-Reflex..., man leuchtet in die Augen um zu prüfen, dass kein Catarakt (grauer Star) vorhanden ist und schaut ob die Kinder unter einem Neugeborenen-Ikterus (Gelbsucht) leiden und wenn ja ob man denkt dass es sich um einen ungefährlichen Typ handelt, der nach ein paar Tagen wieder von selbst verschwinden oder ob man ein paar Proben nehmen will um nach einer Ursache zu fahnden. Außerdem werden Pulse getastet, bei Jungs wird geschaut, ob die Testikel an ihrem Platz sitzen und man untersucht die Stabilität der Hüfte und ob hier eine Luxationstendenz vorhanden ist. Diese Untersuchungen waren sehr interessant und ich durfte auch selbst ein wenig ran. Lustigerweise waren es fünf Jungs und kein einziges kleines Mädchen. Um halb elf waren wir allerdings schon fertig und so nutzte ich die verlängerte Mittagspause zum Nachlesen in meinem Buch. Mittags wäre ich eigentlich für die "Dagvård" eingeteilt gewesen, wo ambulante Untersuchungen/Behandlungen wie z.B. Chemotherapie, Metallentfernungen, Darmbiopsieentnahmen usw. durchgeführt werden. Ich erfuhr allerdings, dass da an diesem Mittag nichts laufen würde und so hängte ich mich einer deutschen Ärztin an, Rebecka. Diese war total nett und da sie nicht so viel zu tun hatte, quatschten wir total lange über Deutschland und Schweden und Auswandern und die unterschiedlichen Gesundheitssysteme und das Schulsystem. Das war wirklich sehr spannend und bisher hatte ich noch kein so ausführliches Gespräch mit Ausgewanderten über dieses Thema. So gingen ruckzuck zwei Stunden rum. Danach ging ich nochmal in die Ambulanz und war bei ein paar Patienten dabei, die mal wieder die üblichen Beschwerden hatten und gegen kurz vor vier ging ich nach Hause.
Am Donnerstag hatten wir nur noch vormittags Programm und ich entschied mich, nun zur "dagvård" zu gehen, da dort ganz interessante Sachen anstanden. So z.B. ein kleines Mädchen, bei welchem ein Verdacht auf Coeliakie bestand. Sie kam zur Darmschleimhaut-Biopsie, welche ohne Narkose gemacht wurde. Das sah so aus, dass dem Mädchen eine Kapsel, welche an einem langen Draht befestigt ist, durch den Mund, den Rachen, die Speiseröhre, durch den Magen bis in den Dünndarm vorgeschoben wurde. Was natürlich nicht wirklich angenehm war für das Mädchen. Dann bestand außerdem das Problem, dass sich der Schließmuskel zwischen Magen und Dünndarm, der Pylorus, nicht öffnen wollte. Um diesen zu stimulieren, begannen Mutter und Arzt über Essen zu sprechen (das Mädchen war seit dem vorangegangenen Abend nüchtern) und das Mädchen bekam einen Lutscher. Dadurch wurde der Verdaungstrakt stimuliert und der Pylorus öffnete sich so viel, dass man die Kapsel das letzte Stück vorschieben konnte. Die Lage der Kapsel wurde ständig durch Röntgen-Durchleuchtung überprüft und als sie endlich an der richtigen Stelle saß wurde in der Kapsel ein Vakuum erzeugt, dadurch wurde etwas Schleimhaut in die Kapsel gesogen und abgeschnitten. Das ist für das Kind nicht schmerzhaft. Danach wurde der Draht endlich wieder rausgezogen und mit dem Mikroskop wurde überprüft, ob es sich auch wirklich um Dünndarmschleimhaut und nicht etwa doch um Magenschleimhaut handelte. In zweitem Falle hätte man nämlich die ganze Prozedur noch einmal machen müssen. Aber glücklicherweise hatte alles funktioniert und die Biopsie wurde zur Kontrolle in die Pathologie geschickt.
Außerdem sah ich dann bei zwei Kindern eine Metallentfernung nach Frakturen an Finger bzw. Mittelhand. Das Erstaunliche dabei war, dass die Entfernung komplett ohne Lokalanästhetika gemacht wurde. Die Kinder wurden "lediglich" mit Lachgas betüttelt. In Deutschland habe ich sowas noch nicht gesehen, muss mal im Sommer nachfragen, ob das lediglich eine schwedische Methode ist. Es funktionierte aber erstaunlich gut.
Damit beendete ich auch meinen vierten Tag in Borås und nachdem ich meinen Schlüssel wieder abgegeben hatte machte ich mich auf den Nachhauseweg. Der Freitag bestand dann aus Vorlesungen und Gruppenseminar.
Diese Woche war ich in der Ambulanz eingeteilt. Am Montag hatte ich von 8 Uhr bis 16 Uhr Dienst und ich hatte ehrlichgesagt etwas Schiss im Voraus, da es hieß, dass wir eigene Patienten haben würden und selbstständig arbeiten sollten. Da ich erstens in der zweiten Woche Pädiatrie noch nicht wirklich nen Überblick über die unterschiedlichen Krankheiten habe und zweitens was Untersuchung bei Kindern angeht noch sehr unbeholfen bin, war ich doch sehr verunsichert. Ich bekam auch gleich zu Beginn einen Patienten zugeteilt. Es half alles nichts. Zuerst schaute ich im Computer nach, ob das Kind schon öfter im Krankenhaus gewesen war und wenn ja warum. Danach schaute ich, weshalb das Kind heute da war - Bauchschmerzen - und überlegte mir, welche Fragen ich dem Kind/den Eltern stellen würde. Und dann machte ich mich auf zum Untersuchungsraum. Der fünfjährige Junge war mit seinem Vater da und der Vater erzählte, dass Omar nachts wegen Bauchschmerzen aufgewacht sei und dann nicht mehr richtig schlafen könne. Er habe auch über Kopfschmerzen geklagt. Und da er sich eigentlich fast nie beschwere, wenn es ihm nicht so gut ginge, hielt er es für eine gute Idee, ins Krankenhaus zu kommen, um eine Blinddarmentzündung auszuschließen. Der Junge machte überhaupt keinen kranken Eindruck und grinste mich die ganze Zeit fröhlich an. Für die Untersuchung sprang er ohne zu Meckern auf die Untersuchungsliege und er machte es mir total leicht, ihn zu untersuchen. Der Bauch war total weich und er sagte nur, dass es auf der rechten Seite ein wenig weh tue, wenn ich drücke. Aber er reagierte eigentlich garnicht. Er hatte auch kein Fieber und er meinte auch selbst, es ginge ihm wieder besser. Auch Herz und Lungen hörten sich gut an und es waren keine Lymphknoten tastbar. Der Arzt kam dann auch dazu, ich berichtete ihm von dem Patienten und auch er war der Meinung, dass der Junge beruhigt wieder nach Hause gehen könne. Die Diagnose: "buksmärta UNS (utan närmare specification)", also Bauchschmerzen, von denen man die Ursache nicht weiß ;). Super. Diktierte dann auch den Patientenbrief und war doch etwas erleichtert, dass ich so einen einfachen Patienten abbekommen hatte. Die nächste Zeit bin ich dann etwas mitgelaufen und habe ein bisschen Erkältung gesehen und aber auch ein somalisches Mädchen mit Krampfanfällen. Sie wurde dann auf Station eingewiesen zur weiteren Überwachung und für ein akutes EEG. Deshalb habe ich leider nicht mehr davon mitbekommen.
Sehr spannend war aber auch eine akute Einweisung einer Patientin, die mit dem Krankenwagen gebraucht wurde. Ein 17jähriges Mädchen mit bekannter MS (Multipler Sklerose), die seit vielen Minuten einen Krampfanfall hatte und seitdem nicht mehr zu sich kam. Ich folgte dem Arzt mit in den Schockraum und alle bereiteten sich auf die Ankunft vor. Ein Krankenpfleger war für das Protokoll zuständig. Außerdem kam ein Anästhesist + Pfleger. Dann eben der Pädiater und zwei weitere Krankenschwestern. Die Patientin wurde reingefahren und die Sanitäter berichteten die wichtigsten Fakten. Dann übernahm der Pädiater. Wir haben ja im letzten Semester gelernt, wie in Trauma-Situationen vorgegangen wird. Man orientiert sich anhand der ABCDE-Regel: A=Airways -> hat der Patient freie Luftwege, atmet er selbstständig, muss er bei dem Freihalten der Luftwege unterstützt oder evtl. sogar intubiert werden? B=Breathing -> wie atmet der Patient, wie hören sich die Lungen an. Besteht vielleicht ein Pneumothorax o.ä. Man hört auch auf das Herz. C=Circulation -> Wie ist der Blutdruck, wie hoch ist der Puls und sind die unterschiedlichen Pulse überall tastbar, wie ist die periphere Sauerstoffsättigung, ist der Patient zyanotisch usw. D=Disability -> man macht einen neurologischen Status. Ist der Patient wach oder nicht ansprechbar, sind Reflexe vorhanden, reagiert er auf Schmerz, reagieren die Pupillen auf Licht usw. E=Exposure -> man schaut sich den ganzen Patienten an von Kopf bis zu den Zehenspitzen. Dazu wird er natürlich entkleidet und man sucht nach offensichtlichen Verletzungen, natürlich auch auf der Rückseite. Während dieser Untersuchungen, die der leitende Arzt, in diesem Fall der Pädiater durchfährt, werden alle Befunde laut ausgesprochen und von dem Protokollführer schriftlich festgehalten. Die Patientin war weiterhin nicht ansprechbar und hatte immer wieder leichte Krämpfe. Zirkulatorisch war sie aber stabil und auch die Sauerstoffsättigung war gut; keine neurologischen Ausfälle und keine offensichtlichen weiteren Verletzungen. Wir hatten das im letzten Semester ja auch selbst bei dem Trauma-Training an Puppen etwas geübt und theoretisch hatte ich das ABCDE-Schema noch im Kopf. Aber das Ganze dann live zu sehen war doch sehr spannend und zu sehen, wie es in Wirklichkeit auch funktioniert. Die Patientin bekam dann einige krampflösenden Medikamente, außerdem wurden Blutproben genommen, um auf bakterielle Infektionen zu prüfen, aber auch auf Intoxikation. Irgendwann wurde sie auch wieder ansprechbar und der Vater war mittlerweile im Krankenhaus angekommen. Sie war dann soweit stabil, dass sie auf Station verlegt werden konnte. Wie ich später erfuhr, waren alle Blutproben unauffällig. Es wurde ein Neurologe hinzugezogen zur weiteren Untersuchung und Behandlung. Das war wirklich sehr spannend. Und ich merke doch immer wieder, dass ich ein großes "Faible" für solche akuten Fälle habe. Bin sehr froh, dass ich da dabei sein durfte.
Später bekam ich noch einmal einen Patienten zugeteilt - einen vier Monate alten Jungen mit Fieber und verschleimten Atemwegen. Hier war die Anamnese und Untersuchung nicht so einfach wie bei meinem ersten Patienten. Das Kind heulte und die Eltern sprachen sehr undeutlich. Diese beiden Tatsachen gemeinsam machten es mir relativ schwer, ein gutes Gespräch zu führen. Auch die Untersuchung war nicht so einfach, weil der Junge keine Lust hatte, untersucht zu werden. Außerdem fühlt man bei der Untersuchung die kritischen Blicke der Eltern im Rücken, was mich doch noch sehr verunsichert. War dann ganz froh, als ich das Zimmer wieder verlassen konnte und hatte nicht groß mehr Information als eine halbe Stunde zuvor, als ich den Zettel in die Hand gedrückt bekam. Nunja. Der Arzt hatte aber nicht direkt Zeit, sich meinen Patienten anzuschauen, denn ein fünfjähriger Junge mit Schrittmacher kam rein, dem es ziemlich schlecht ging. Mit hohem Fieber, starkem Husten und er war sehr schwach. Bei der Auskultation konnte man die Lungen richtig knistern hören und er bekam einen Tropf zur Flüssigkeitssubstitution und wurde ins Röntgen geschickt wegen Verdacht auf Pneumonie. Zwischendrin waren wir dann noch mal bei den Mädchen mit den Krampfanfällen und bis sich der Arzt meinen Patienten anschaute, war es schon vier Uhr. Da bereits die zwei neuen Studenten für die Spätschicht erschienen waren, meinte er, ich könne gerne nach Hause gehen, sonst würde das zu eng werden, er übernimmt meinen Patienten. Darüber war ich auch garnicht mal so traurig ;)
Gestern hatte ich dann den ganzen Tag frei. Und ich genoss einen faulen Tag. Ich traf mich mit Katrin in der Stadt. Es war ein wunderschönes frühlingshaftes Wetter und wir chillten uns in die Sonne, quatschten, beobachteten Leute und schlürften eine Chai-Latte nach der anderen. Eigentlich wollten wir uns nur auf ne halbe Stunde Kaffeetrinken und ne Riesen-Bulle treffen, aber aus der halben Stunde und dem einen Café wurden dann fast fünf Stunden und drei Cafés. Aber das war toll. Nachmittags bereitete ich dann noch ein wenig das Seminar für Donnerstag vor und machte sonst aber den Rest des Tages nicht mehr sehr viel.
Auch heute habe ich, wie ich gestehen muss, länger geschlafen als eigentlich geplant. Immerhin habe ich fleißig Wäsche gewaschen. Von 16-20 Uhr bin ich dann noch mal in der Ambulanz eingeteilt, mal sehen, was es heute so an Patienten geben wird. Morgen haben wir dann nochmal von 10-12 Uhr Seminar, danach noch ne "handläggningsövning", bei der Patientenfälle von Ärzten vorgestellt werden und dann geht es nachmittags in Richtung Flughafen, denn ich fliege über Ostern nach Hause *froihüpf*. Meine Oma hat am Montag ihren 80. Geburtstag und ich freue mich total, meine Familie und auch Tobi wieder zu sehen. So langsam kommt doch immer mehr das Heimweh und man hat das Gefühl, sich auf den Zeitpunkt zu freuen, wieder ganz nach Hause zu reisen. Aber bis dahin is ja noch ne Weile hin. Jetzt erst mal Ostern zu Hause verbringen und die Tage genießen. Mittwochs geht's dann wieder zurück.
Ganz liebe Grüße aus dem leiter heute wieder grauen und verregneten Göteborg,
Lena =o]

Samstag, 20. Februar 2010

7 Geburten und Schneechaos in Göteborg

Leute, ist das ein Wetter! Nachdem ich mich letzte Woche bei meiner Mutter beschwerte, dass wir hier in Schweden garkeinen Neuschnee mehr bekämen im Gegensatz zu Deutschland, schneit es nun seit zwei Tagen fast ununterbrochen. Alles ist weiß und man stiefelt teilweise durch kniehohen Schnee. Die Folge ist, dass Trams und Busse kaum noch fahren. Eben wollte ich ganz motiviert zum Volleyballtraining fahren. Nun, eine dreiviertel Stunde nach dem Verlassen des Hauses, bin ich wieder hier. Ohne Sport. Schade eigentlich. Es ist aber schlichtweg unmöglich, in einer bestimmten Zeit von A nach B zu gelangen. Hoffe, das wird zu Beginn der neuen Woche wieder besser. Normalerweise regnet es hier in Göteborg zu dieser Jahreszeit ganz, ganz viel. Da ist mir ganz, ganz viel Schnee doch lieber =).
Nun möchte ich euch aber von meiner Nachtdienstwoche auf der Geburtenstation erzählen. Von Montag auf Dienstag hatte ich meine erste Nacht. Bereits am Wochenende hatte ich reichlich vorgeschlafen, Montag ausgeschlafen und mich auch nachmittags nochmal hingelegt und so fuhr ich gegen halb neun hochmotiviert und topfit zur Klinik. Wie immer dauerte es eine Weile, bis sich mir jemand annahm. Ich wurde der "barnmorska" (Hebamme) Annelie zugeteilt, die gleich einen sehr sympathischen Eindruck auf mich machte. Und dieser Eindruck täuschte auch nicht. In dieser Nacht herrschte Hochbetrieb auf der Geburtenstation und so sollte ich gleich im ersten Dienst drei Geburten zu sehen bekommen. Die erste Frau war Mitte dreißig und erwartete nun ihr zweites Kind. Das erste Kind kam per Notkaiserschnitt auf die Welt, nun war aber eine normale Entbindung geplant. Und das funktionierte auch super. Sie meisterte die Geburt total souverän und so wurde ich bereits nach wenigen Stunden Augenzeuge einer gut verlaufenden Geburt. Ich schaute erst mal nur zu, aber alleine das war schon überwältigend genug. Habe zuvor noch nie eine Geburt gesehen und so war es ein sehr eindrucksvolles Erlebnis für mich. Für die Eltern natürlich auch ;) sie brachten einen gesunden Sohn zur Welt. Annelie versprach mir, dass ich bei der nächsten Geburt gerne auch mithelfen dürfe. Ich freute mich und war gespannt, wie die nächste verlaufen würde. Erst einmal machten wir eine kleine Essenspause, es war bereits ein Uhr nachts. Ich war noch immer topfit, hatte ja meinen Schlafspeicher auch kräftig aufgefüllt. Bald klingelte es an der Pforte und eine junge Frau kam mit ihrem Mann auf Station. Sie erzählte, dass die Wehen um zwölf Uhr eingesetzt hätten. Sie schien starke Schmerzen zu haben und wirkte total durch den Wind, wiederholte ständig, dass sie jetzt zuerst noch duschen wolle. Annelie schaltete sofort - das Kind war unterwegs. Sie zog die Frau mehr oder weniger in ein freies Zimmer, aufs Bett, wir beeilten uns damit, ihre Klamotten auszuziehen und kaum lag die Frau richtig auf dem Bett, war das Kind bereits da. Das war unglaublich! Ich stand da und muss geschaut haben wie ein Auto. Ich war total perplex; hätte nie gedacht, dass das SO schnell gehen kann! Die Eltern waren offenbar genauso überrascht und die Frau erzählte, dass sich die Geburt ihres ersten Kindes über drei Tage hingezogen habe. Aber natürlich hatte sie nichts dagegen, dass es dieses Mal so schnell ging ;) Ich glaube, zwischen durch-die-Tür-Kommen und Kindschrei vergingen keine fünf Minuten. So war die zweite Geburt dieser Nacht also relativ schnell erledigt. Da das Ganze so wahnsinnig schnell ging, konnte ich natürlich auch nicht groß was helfen. Wäre aber in der Situation vor lauter Überraschung wohl auch unfähig gewesen, produktiv zu sein ;)
Danach wechselte ich zu einer anderen Hebamme, da diese gerade eine Patientin betreute, die gleich ihr Kind bekommen würde. Sie hatte eine EDA (Epiduralanästhesie) erhalten, die aber wohl zu großzügig dosiert worden war. Und so spürte sie ihre kompletten Beine nicht mehr und konnte sie auch kaum noch bewegen. War wohl etwas zu viel des Guten, aber sie spürte so überhaupt keine Schmerzen mehr und konnte trotzdem noch problemlos pressen und somit war es eine recht angenehme Geburt für sie. Eine halbe Stunde später war der Sohnemann geboren und Mama, Papa und Oma (die auch anwesend war) waren überglücklich. Alle drei Mütter mussten nach der Geburt genäht werden. Hier in Schweden wird das von den Hebammen gemacht. Die komplette Geburt wird eigentlich, solange sie gut verläuft, ausschließlich von einer Hebamme betreut und geleitet. Ärzte werden nur dazugerufen, wenn das CTG pathologisch ist, Patientinnen eine EDA wünschen oder nach der Geburt eine Sphinkterruptur vorliegt.
Als dieses Kind + Eltern fertig versorgt waren, war es bereits fünf Uhr morgens. Zu diesem Zeitpunkt stand keine weitere Geburt mehr an, aber in dieser Nacht hatten 12 Zwerge das Licht der Welt erblickt - eine ungewöhnlich hohe Anzahl für eine Nacht. Ich durfte nach Hause gehen und mich für die nächste Nacht fit-schlafen.
Die zweite Nacht sollte ruhiger werden. Ich war mit Gunnel, die selbst schwanger ist, unterwegs. Wir betreuten eine junge Frau, geb. '83, die ihr Kind ohne Anwesenheit ihres Freundes/Mannes zur Welt bringen wollte. Der Arme musste dann die ganze Nacht im Aufenthaltsraum sitzen und warten. Aber nunja, Frauen, welche Kinder bekommen, sollen ja bekanntlich alle Wünsche erfüllt werden, wenn möglich. Für diese Frau, Frida, war es das erste Kind und sie schien sehr unter der Geburt zu leiden. Da der Mann ja im Aufenthaltsraum saß, versuchte ich, sie etwas zu unterstützen, indem ich ihr immer wieder den Rücken massierte, Trinken holte, kalte Lappen auf die Stirn legte, Fenster auf, Fenster zu usw. Das Ganze zog sich viele Stunden hin und lange schien die Geburt nicht wirklich voran zu gehen. Zwischen drei und halb vier war es dann soweit, der Kleine entschied sich, der Plagerei ein Ende zu machen. Gunnel half bei der Geburt selbst, während ich Frida half die Beine zu halten und den Kopf zur Brust zu ziehen, während sie meine Hand so dolle quetschte, dass ich eigentlich darauf wartete, ein Knochenknirschen zu hören. Aber da ich den Eindruck hatte, dass ihr das half, hielt ich meinen Mund und versuchte, mich auf was anderes als den Schmerz in meiner Hand zu konzentrieren. Als der Kleine dann gegen halb vier mit zitterndem Kinn (irgendwie machen die Neugeborenen das alle *g*) schreiend auf ihrem Bauch lag, konnte man ihr die Erleichterung und Erschöpfung richtig ansehen. Auch jetzt durfte der Freund/Mann noch nicht reinkommen, sie wollte erst "alles fertig" haben, bevor er kommen sollte. So durfte ich die Nabelschnur durchschneiden und kam sogar in den Genuss, den Kleinen zu halten, während sie genäht wurde. Und da es sich um einen sehr komplizierten Riss handelte, dauerte das Nähen fast eine Stunde. Fand es sehr faszinierend zu sehen, wie der Kleine nach einiger Zeit begann die Augen zu öffnen und dann total desorientiert hin und her zu schauen, um die Umgebung zu erkunden. Er war total friedlich und wartete geduldig, bis Mama fertig war und er zum ersten Mal trinken durfte. Ich fand es sehr gut, dass ich die ganze Zeit mit involviert war und helfen konnte. Das ist doch besser, als nur nebendran zu sitzen und hilflos zu zu schauen. Auch wenn mir diese "motivierenden" Gespräche sehr schwer fallen, die die Hebammen sehr gut drauf haben. Nach dieser Geburt hatten wir eine längere Pause, da sonst nicht wirklich ein Baby im Anmarsch war. Zu Beginn des Abends hatte ich eine andere "Patientin" (ist in dem Zusammenhang eigentlich der falsche Ausdruck, wird aber trotzdem so benutzt) gesehen, die bereits am Ende der 42. Woche war, aber das Kind nicht so wirklich kommen wollte. Tagsüber hatte man ihr einen Katheter gelegt, der an der Spitze einen Ballong (schreibt man das so? Bin verwirrt...) besaß, welcher mit Wasser gefüllt wurde und somit den Muttermund aufdehnen sollte, um die Geburt einzuleiten. Gegen zwölf Uhr nachts wurde er dann wieder gezogen, da man ihn wohl nur zehn Stunden liegen lassen soll, aber noch immer hatte die Frau ganz selten mal schwache Wehen. Die Hebamme ging nicht davon aus, dass dieses Baby in der gleichen Nacht noch kommen würde. Gegen fünf Uhr änderte sich die Situation aber allmählich, das Kind wollte kommen. Und die Frau schien wahnsinnig zu leiden. Ich fand es sehr interessant, zu sehen, wie unterschiedlich sich werdende Väter in dieser Situation verhalten. Vom passiven schuldbewusst-nebendran-Sitzer bis zum Hochleistungs-Animateur war wirklich alles vertreten und bei diesem Paar handelte es sich um zweitere Spezies. Er übernahm komplett die Motivations und Beistand-Arbeit für seine Frau. Die Hebamme musste eigentlich garnichts machen. Das fand ich echt super! Die Frau schrie zwar das Zimmer zusammen, sodass man sie überall auf dem Flur hören konnte (die armen anderen Frauen, die das hörten, aber noch nicht soweit waren...), aber ihr Mann kümmerte sich so ausgezeichnet um sie, dass ich es garnicht schlimm fand, einfach nur im Hintergrund zu sitzen und zu warten. Leider ging es aber nicht wirklich schnell voran und um sieben Uhr war das Kind noch immer nicht da. Zwischen sechs und sieben Uhr begann dann allmählich die Müdigkeit einzusetzen. Man merkt es natürlich besonders, wenn man nur dasitzt und nichts tut. Und so ging ich dann um sieben Uhr nach Hause - auch ohne diese Geburt gesehen zu haben. Aber wer weiß schon, wie lange sowas noch dauert? Als ich dann in der Tram saß, fühlte ich, wie matschig mein Kopf war. Ich sah andere Leute einsteigen und dachte nur schadenfroh: hihi, ihr seht soo müde aus, aber ihr müsst jetzt zur Arbeit. Ich lege mich jetzt erst mal hin! Man ist matschig im Kopf und nimmt irgendwie Geräusche verzögert war... lustige Stimmung ;) War aber an diesem Morgen sehr froh, endlich in meinem Bett zu liegen und zu schlafen.
Auch die dritte Nacht war eher ruhig. Ich war zuerst mit Annika unterwegs, einer geschätzt zwei Meter großen sehr bestimmten Persönlichkeit, aber trotzdem sehr nett. Sie war jedoch jemand, die alleine die ganze Situation unter Kontrolle haben wollte und kein Stückchen davon abzugeben bereit war. Und so blieb außer ein wenig Untersuchung für mich nichts übrig, außer nebendran zu sitzen und zu warten und zuzuschauen. Der Muttermund der Frau war zwar beim Eintreffen in die Klinik bereits vollständig geöffnet (10 cm), aber nach diesem schnellen Öffnen ging es sehr schleichend voran. Annika meinte später, dass das sehr typisch sei: entweder die Öffnungsphase geschieht schnell, gefolgt von einer langen Austreibungsphase oder andersherum. Hier war eben ersteres der Fall. Ich fand es sehr anstrengend, stundenlang auf meinem Stuhl zu sitzen und alle paar Minuten bei ner neuen Wehe zuzuschauen. Bin irgendwie, wie ich schon öfter berichtet habe, nicht so der geborene geduldig-Warter. Aber es blieb mir nichts anderes übrig. Zwischendurch ging ich mal was essen oder nen Kaffee trinken, aber letztendlich landete ich immer wieder auf dem Wartestuhl. Aber so ist das eben mit Geburten - keiner kann sagen, wie lange sowas dauert und jede Minute kann sich das Bild wenden. Aber vier Stunden nur warten ist natürlich trotzdem anstrengend, auch wenn ich selbstverständlich in keinem Fall die Rollen hätte wechseln wollen ;) Ich glaube, das Kind kam dann kurz vor vier. Für die Eltern war es das erste Kind und die Mutter sehr ängstlich. Bereits während der Geburt, wobei ich mir vorstellen kann, dass das ganz normal ist (Selbstzweifel, es nicht zu schaffen; Angst vor den noch bevorstehenden Schmerzen usw.), aber auch nach der Geburt. Sobald das Kind aufhörte zu schreien, fragte sie ständig: atmet sie noch, atmet sie noch? Sollte sie nicht schreien? Geht es ihr gut? Ist sie gesund? Sieht sie normal aus? Und das wurde auch nicht wirklich besser. Das wurde dann mit der Zeit ein wenig anstrengend, aber ich glaube, dieses sich Wünschen, dass das Kind ständig schreit, ändert sich spätestens ein paar Tage nach der Geburt, wenn man vor lauter Geschrei keinen Schlaf bekommt ;)
Meine letzte Geburt erlebte ich dann zusammen mit der Hebamme Elenore. Hier handelte es sich um eine sehr junge Mutter, geb. 88, die zusammen mit ihrem Mann ihr erstes Kind erwartete. Sie war unglaublich souverän und gefasst. Ihr Verhalten hat mich sehr beeindruckt. Obwohl sie so jung und "unerfahren" war! Sie litt leider unter zu hohem Blutdruck und so war die ganze Geburt über Vorsicht angesagt, denn das Kind reagierte mit Tachykardie. Das CTG war eigentlich die ganze Zeit im pathologischen Bereich, auch die EDA schaffte es nicht wirklich, den Blutdruck der Mutter zu senken. Sie entwickelte auch etwas Fieber unter der Geburt, aber ein paar Pamol zeigten ganz guten Effekt. Ich sah die Patientin das erste Mal gegen halb zehn abends und nachdem ich zuerst die andere Geburt gesehen hatte, stieß ich hier noch einmal dazu. Als es endlich soweit war, arbeiteten Mutter, Vater und Hebamme super zusammen und so kam schließlich bei einer Wehe zuerst der Kopf und bei der nächsten Wehe der Rest des kleinen Andreas zur Welt. Dieser Anblick, dass eine ganze Weile nur der Kopf zu sehen war, ohne dass das Kind bereits atmet, war irgendwie seltsam. Bei den anderen Geburten kam immer das komplette Kind unter einer Wehe zur Welt. Aber Kind gesund, Eltern überglücklich. Ich konnte dann noch etwas als Fotograf hilfreich sein und nachdem auch diese Patientin vernäht, das Kind untersucht, gewogen und vermessen war, gab es das erste Festmahl für den Kleinen.
Um fünf Uhr war dann kein einziges Kind mehr unterwegs und so holte ich mir meine letzte Unterschrift und machte mich auf den Nachhauseweg. Meine größte Sorge im Voraus war, dass ich die Müdigkeit nicht im Griff haben und ich die Nächte nicht überstehen würde. Aber ich stellte überraschend fest, dass Müdigkeit eigentlich überhaupt kein Problem war. Es klappte ganz gut, den Tag-Nachtrhythmus für drei Tage komplett umzudrehen.
Diese drei Nächte waren sehr spannend und faszinierend für mich! Ich bin sehr froh, dass keines der Paare etwas gegen meine Anwesenheit hatte und ich diesem großartigen Erlebnis beiwohnen durfte. Es scheint doch wie ein kleines Wunder, dass neun Monate ausreichen, ein komplettes neues Leben zu erschaffen. Hach, jetzt werde ich sentimental. Da höre ich besser mal auf ;)
Euch allen ein schönes Wochenende!
Verschneite Grüße aus Göteborg
Lena =o]

Montag, 15. Februar 2010

Nicht viel zu tun diese Woche

Hallo ihr Lieben. Entspannte und fast schon gelangweilte Grüße schicke ich euch heute, an diesem etwas grauen Montagmorgen, nach Deutschland und den Rest der Welt. Nachdem die ersten drei Wochen dieses Semesters doch etwas stressig waren, ist momentan fast garnichts zu tun. Und ich muss sagen: für meinen Geschmack sogar viel zu wenig. Die letzte Woche begann für Matthias und mich auf der "Reproduktions-Avdelning", auf welcher Paare mit unerfülltem Kinderwunsch nach medizinischer Hilfe suchen. Matthias wurde direkt in den OP zu einer Eizellen-Entnahme geschickt, während ich in der Sprechstunde bei einer Follikel-Kontrolle via Ultraschall zuschaute, um die Auswirkung der Hormonbehandlung zu überprüfen. Bei der Untersuchung zeigten sich tatsächlich sehr große Follikel, was sowohl die Ärztin als natürlich auch die Patientin sehr freute. Um neun Uhr mussten wir zwei dann, zusammen mit einigen Paaren, einer Einführungsveranstaltung samt Film beiwohnen, was sich als ziemlich uninteressant und langweilig darstellte. Aber es blieb uns nichts anderes übrig, als diese 60 min durchzuhalten. Wir waren aber sehr froh, als wir den Raum wieder verlassen durften. Danach ging es für mich in den OP. Vor diesen Eizellentnahmen werden die Frauen so lange mit Clomifen gepimpt, bis sich auf dem Ultraschall ganz viele große "Bläschen" nachweisen lassen. Der Inhalt dieser Bläschen wird dann transvaginal mit einer Spritze abgesaugt, eine Schwester überprüft unter dem Mikroskop, wieviele Eizellen dabei entnommen wurden und mischt sie zusammen mit dem am selben Tag abgegebenen Sperma des "Vaters". Nun heißt's: aus zwei mach eins. Nach einigen Tagen wird dann, wenn die Befruchtung stattgefunden hat, einer dieser kleinen "Mehrzeller" in die Gebärmutter der Mutter eingepflanzt und man hofft auf Einnistung. Der Eingriff ging ziemlich schnell und war leider weniger spektakulär als erhofft. Nunja, wie bisher fast immer in der Gyn *nörgel*. Danach hieß es mal wieder warten (auch wie fast immer), da die nächste Sprechstunde erst in einer halben Stunde stattfinden sollte. Aber bei der halben Stunde blieb es natürlich nicht - die Ärztin kam 20 min zu spät. Das bin ich ja auch schon gewohnt. Ich war dann bei einem Erstgespräch dabei, in welchem ein hilfesuchendes Paar zum ersten Mal auf einen Arzt/eine Ärztin trifft und mit ihm über die möglichen Behandlungen und den Ablauf der Behandlung aufgeklärt wird. Als ich nach diesem Gespräch zum Mittagessen ging, erzählte Matthias, dass er sich bereits die Unterschrift geholt habe. Gute Idee eigentlich - ich lief zurück auf Station und ließ mir meine Anwesenheit ebenfalls bestätigen. Der Nachmittag hätte sowieso nichts Interessantes mehr gebracht und die Ärzte schienen auch nicht so wahnsinnig erfreut über unsere Anwesenheit.
Am Dienstag hatte ich frei.
Am Mittwoch hatte ich Gyn-Tagdienst, das heißt, ich sollte den diensthabenden Arzt in der Gyn-Ambulanz begleiten. Auf dem Infozettel stand, dass man nach der Morgenbesprechung (acht Uhr) in die Ambulanz gehen solle, um sich dort dem Arzt anzuschließen. Ich ging also in die Ambulanz und da ich keinen Arzt finden konnte, fragte ich die Schwestern, wann der Arzt komme. "Die Ärzte fangen hier gewöhnlich immer erst zwischen neun und zehn Uhr an. Kannst dir ja im Kaffeeraum einen Kaffee holen, das dauert sicher noch!". Mano! Dafür steht man um sechs Uhr morgens auf! Diese ewige Warterei macht mich echt langsam hirschig. Zum Glück hatte ich mein Buch dabei und konnte so wenigstens die freie Zeit etwas produktiv nutzen. Um viertel nach neun ging es dann los. Zuerst war ich mit einem relativ alten Arzt unterwegs, der jetzt auch nicht so motiviert war, groß was zu erklären. Ich stand also nebendran und schaute zu. Nach der Mittagspause wurde ich dann einem anderen Arzt zugeteilt: Klaus. Und dieser Wechsel stellte sich als sehr positiv heraus, da Klaus total motiviert war, mir etwas beizubringen. Er war entsetzt, zu hören, dass ich seit meinem Untersuchungskurs in der ersten Woche keine einzige Patientin untersucht hatte. Ja, so ist aber die Realität bei euch! Diesem setzte er sogleich ein Ende und so durfte ich im Folgenden drei Patientinnen untersuchen. Bei der ersten zeigte er nochmal, wie er es macht, bei der zweiten durfte ich dann ran und als die Patientin weg war, sprach er mit mir nochmal alles durch und sagte mir, was ich beim nächsten Mal besser machen könne. Ich war sehr dankbar, das endlich mal üben zu dürfen und wenigstens ein klein wenig Praxis aus diesem Kurs mitzunehmen. Aber das war auch nach drei Wochen mein letzter Tag in der Gyn. Immerhin.
Donnerstag und Freitag hatte ich nur jeweils ein Seminar. Ihr seht also: viel, viel Freizeit. Aber ich nutzte die Freizeit, um endlich, nach vielen Wochen (seit Mitte Dezember) endlich wieder mit Volleyball anzufangen. Die Wochen vorher hatte ich es irgendwie nicht geschafft und mir immer wieder andere Ausreden zurecht gelegt, warum es gerade an diesem Tag nicht ging. Aber ich überwand nun endlich wieder meinen Schweinehund und war diese Woche gleich drei Mal im Training. Bin ganz stolz auf mich.
Was ich euch noch garnicht erzählt habe, ist der Untersuchungskurs in der ersten Woche, den ich gerade eben erwähnt habe. Mit diesem hat es nämlich etwas ganz, ganz, ganz Seltsames auf sich: in der ersten Woche des Gyn-Kurses haben alle Studenten innerhalb der ersten zwei Wochen an einem Abend einen Untersuchungskurs. Das sieht so aus, dass ein Arzt zusammen mit zwei Studenten zu einer Patientin geht, zeigt, wie eine gynäkologische Untersuchung vor sich geht und dann jeder Student auch mal darf. Wenn ihr das lest, denkt ihr sicher: welcher Patient lässt sowas mit sich machen? Ja, das habe ich mich auch gefragt und dachte dann nur: ist ja wirklich toll, dass es Patientinnen gibt, die sich für sowas zur Verfügung stellen. Aber: weit gefehlt. In Wirklichkeit sind das garkeine Patientinnen! Nein! Es sind (jetzt haltet euch fest): Kolleginnen aus dem Haus! Ja! Unglaublich, oder? Ich weiß nicht, ob die dafür bezahlt werden oder sonstige Vorzüge dadurch erhalten, aber das sind tatsächlich Frauen, die im gleichen Haus arbeiten. Als ich das erfahren habe, hat's mir echt für nen Moment die Sprache verschlagen. Kann's eigentlich immer noch nicht ganz glauben ;) Vor allem: eine zweite Studentengruppe untersucht auch noch die gleiche Patientin. Wahnsinn...
So, meine drei Wochen Gyn-Block sind nun also vorbei und heute beginne ich meinen Geburtshilfe-Block. Und zwar mit einer Geburten-Nachtdienst-Woche. Heute Abend um 21 Uhr werde ich also, zusammen mit einer Hebamme, bei Geburten dabei sein dürfen. Mein Dienst geht bis sieben Uhr morgens und ich habe drei Nächte in Folge. Bin fast ein wenig aufgeregt, habe ja vorher noch nie eine Geburt gesehen. Muss mir nochmal ein bisschen Vorlesungsunterlagen zu dem Thema anschauen, damit ich nicht total planlos bin und werde mich heute Mittag nochmal ein wenig hinlegen und versuchen, vorzuschlafen. Weiß garnicht, wie ich die Nächte überstehen soll, bin nämlich normalerweise spätestens um zwölf schon total müde *g*. Aber wir werden sehen, wird bestimmt ganz aufregend werden! Werde euch dann von meinen Erlebnissen erzählen! Mal sehen, ob ich in drei Tagen sage, dass ich niemals Kinder haben will ;)
Aufgeregte Grüße,
Lena =o]

Freitag, 5. Februar 2010

Ich bin ein Student, holt mich hier raus! Oder auch: das Lenschn in der Gynäkologie

Vor lauter Kiruna habe ich euch noch garnicht von meinen letzten vier Wochen in der Gyn erzählt. Das Semester begann mit zwei Wochen Vorlesung, was natürlich einerseits ziemlich langweilig ist, aber andererseits auch praktisch, da diese Zeit perfekt zum Reisen, z.B. nach Kiruna, genutzt werden kann. Nach der Vorlesungszeit wurden wir, jeder mit einem individuellen Stundenplan ausgestattet, auf verschiedene Abteilungen, Sprechstunden, OP usw. verteilt. Bei mir begann dieser praktische Teil mit zwei Wochen Station/OP. Mein "handledare" der ersten Woche, Jonas, war ganz lustig und nett, aber ein wenig chaotisch. So musste ich ihn öfter einmal suchen, er kam zu spät zu den Sprechstunden usw., aber er erklärte immerhin hin und wieder etwas und berichtete in den ausgedehnten Fika-Pausen von seiner großen Leidenschaft: japanische Pflanzen. Er muss wohl zu Hause einen großen Garten voller japanischer Gewächse besitzen, die er mit größter Hingabe pflegt, zurechtschneidet und sich an deren Farbenvielfalt und Wuchsformen erfreut. Ganz so spannend fand ich das Thema leider garnicht, aber immerhin konnte ich so mein anti-medizinisches Vokabular etwas erweitern. Am ersten Tag gingen wir gleich in den OP, was ich natürlich toll fand. Durfte auch gleich assistieren, bei einer vaginalen Hysterektomie (Gebärmutterentfernung). Jedoch stellte ich fest, dass diese OP (und auch viele andere in der Gyn) einen stark brutalen Beigeschmack haben und ich bemerkte schnell, dass ich mich nicht wirklich dafür begeistern konnte. Trotzdem freute ich mich natürlich zu assistieren, wenn dies auch nur aus ein wenig Haken-Halten und Faden-Abschnippeln bestand. Die zweite Patientin war eine Frau Mitte 50, die im Dezember hysterektomiert worden war, aber weiterhin immer wieder Bauchbeschwerden hatte. Man machte im Januar ein CT und stellte fest, dass man bei der OP vor einem Monat ein Grapefruit-großes Myom (auch "Muskelknoten" genannt, meistens innerhalb der Gebärmutter) übersehen hatte, das sich außerhalb der Gebärmutter, zwischen Blase und Vagina befand. Mein Arzt war total entsetzt, da er meinte, dass es durch eine bimanuelle Untersuchung eigentlich nicht zu "übersehen" ist. Also musste die arme Frau wieder unters Messer und es gab (zu meiner Freude) eine spannende Laparotomie (Bauchschnitt). Anwesend war außerdem eine Urologin (die durchgeknallte Yr aus Island, die ich bereits im Urologiekurs im letzten Semester kennengelernt hatte), da die Blase mobilisiert und aufgeschnitten werden musste und Katheter in die Ureteren gelegt werden musste. Die OP war wirklich interessant, allerdings sah die Myomentfernung am Ende doch sehr brutal aus: Jonas drehte ein Korkenzieher-ähnliches Instrument in das Myom und zog dann so lange dran, bis es sich löste. Das Ding war so riesig, wirklich unglaublich, dass es im Dezember übersehen worden war. Aber immerhin gab's so für mich was zu sehen *g*. Die Patientin war darüber, dass sie sich einer zweiten OP unterziehen hatte müssen, natürlich sehr erbost und drohte mehrmals damit, zum Anwalt zu gehen, sobald sie entlassen werden würde. Wäre interessant, zu wissen, ob sie das wirklich macht und in wieweit man sich dann als behandelnder Arzt für so etwas rechtfertigen kann/muss.
Am zweiten Tag waren wir für die Sprechstunde eingeteilt. Allerdings kam Jonas ca. ne Stunde zu spät. Eine Stunde, die ich mal wieder rumsaß und wartete. Aber das kenne ich ja schon. Die Sprechstunde war dann auch nicht wirklich spannend. Vorgespräch für geplante Hysterektomie, Inkontinenzprobleme, Metrorrhagie (unregelmäßige Periode)... riss mich alles nicht so vom Hocker. Das einzig etwas Interessante war eine Frau mit einer Bartholini-Zyste (Zyste, die durch das Verstopfen einer Drüse entsteht), die Jonas dann drainierte.
Am Mittwoch war wieder OP-Tag und ich natürlich Feuer und Flamme. Ich fragte Jonas, ob ich am Donnerstag fehlen könne, da wir am Freitag eine schriftliche Prüfung hatten und ich außerdem noch eine Präsentation für ein Seminar am Freitag vorbereiten musste. Er sagte, das sei kein Problem, aber er hoffe doch, dass ich ihm heute noch assistieren würde, er könne meine Hilfe gebrauchen. Jippi, dachte ich mir. Wir wuschen uns steril und Jonas ging schon in den OP (die Schweden nehmen es mit Sterilwaschen nicht so ernst wie in Deutschland [dort ist das eine Wissenschaft für sich] und so war er ganz schnell fertig), während ich noch etwas länger brauchte (da ich es in Deutschland gelernt hatte). Ich war fast fertig, als die OP-Schwester herauskam und sagte: du brauchst dich nicht steril machen, Jonas hat schon eine Assistentin. Innerhalb einer Sekunde fiel meine Stimmung in den Keller. Als ich in den OP kam, wartete bereits eine der Assistenzärztinnen. Ganzschön gemein. Klar wollen die auch auf ihre OPs kommen, aber es war einfach so fies, mir die Nase im Voraus so lang zu machen. Aber er wusste es wohl nicht. Es hieß also dementsprechend: zuschauen. Und bei nur Zuschauen wird mir immer recht schnell langweilig und so war ich froh, dass ich nachmittags etwas früher gehen durfte.
Den Donnerstag nutzte ich dann nochmal richtig zum Lernen, da wir am Freitag bereits eine Prüfung schreiben mussten. Da ich kaum Zeit gehabt hatte, mich ordentlich darauf vorzubereiten, orientierte ich mich hauptsächlich an Altklausurfragen und versuchte, noch das Beste aus der verbliebenen Zeit zu machen. Als wir uns am Freitag brav mit immer einem leeren Platz dazwischen im Hörsaal verteilt hatten, hielt eine der Ärztinnen eine kurze Ansprache: "Die Klausur enthält einen Teil Altfragen und einige neue Fragen. Wir haben uns gestern gegenseitig abgefragt und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Klausur wahrscheinlich ein bisschen zu schwer geworden ist. Wenn sie zu schlecht ausfällt, senken wir vielleicht die Bestehensgrenze." Oh-oh. Sie jagte mir mit diesen Sätzen ne ganzschöne Angst ein. Vor allem, weil zu Beginn des Semesters gesagt worden war, dass es garkeine richtige Klausur sei und man, wen man durchfallen sollte, lediglich zu einem persönlichen Gespräch zum Chef eingeladen würde. Und jetzt stellte sich diese Frau da vorne hin und sagte so etwas. Das kann ja was werden, dachte ich mir. Wenn die das schon sagt, wie schwer ist es dann erst für uns? Aber die Panikmacherei war komplett unbegründet. Insgesamt befanden sich vielleicht fünf neue Fragen in der Klausur (von 40). Diese waren tatsächlich blöd, aber der Rest bestand aus Altfragen. Und da ich ja eigentlich nur mit Altfragen gelernt hatte, war das Ganze kein Problem. Wie heißt es noch so schön? "Das Essen wird nie so heiß gegessen, wie es gekocht wird". Oder so Ähnlich. Ergebnis: 35 von 40 Punkten.
Meine zweite Woche sollte ziemlich frustrierend werden. Als ich am Montag zur Frühbesprechung kam, wurde ich Elisabeth zugeteilt. Das war nicht der Arzt, dem ich eigentlich laut Plan zugeteilt war, aber ich dachte mir, das hat sicher seine Richtigkeit. Diese ist eine Frau, deren Charakter man mit einem Hingucker bereits voll erfasst. Und dieser Eindruck war bei Weitem kein positiver. Das konnte ja was werden. Nach der Besprechung verließ ich den Raum, ging auf Elisabeth zu und stellte mich vor. Die Antwort war: "Ja, jetzt geh hier mal aus dem Weg, da kommt ja keiner durch". Ok. Also stellte ich mich zur Seite und sie klärte noch ein paar Dinge mit ihren Kollegen. Außerdem war ihr eine Assistenzärztin, Susanne, zugeteilt. Wir hatten OP-Tag. Und das hieß für mich: Zuschauen. Und das den ganzen Tag. Elisabeth operierte zusammen mit Susanne. Und es waren drei vaginale Hysterektomien an diesem Tag. Spannend. Ich stand die ganze Zeit hintendran und schaute über ihre Schulter. Ich stellte schnell fest, dass mich Elisabeth eigentlich garnicht dabei haben wollte und mich gekonnt ignorierte. Wenn ich mal eine Frage stellte, wurde diese entweder nicht beantwortet oder mit einer kurzen knappen Antwort à la: so ist das, wieso weißt du das nicht, und jetzt lass mich gefälligst in Ruhe mit deinen blöden Fragen. Das ließ ich also auch schnell bleiben. Zwischen den OPs verschwand sie total schnell irgendwohin. Ich wusste nicht, was ich machen oder wohin ich gehen sollte. Also wartete ich Ewigkeiten darauf, sie irgendwann wieder irgendwo zu finden. Um dann wieder hintendran zu stehen. Ich ging mittags dann früher, da ich nicht den Eindruck hatte, irgendetwas zu lernen. Zuschauen ist ja auf jeden Fall auch ok, aber nicht fünf Mal bei der gleichen OP. Ich hoffte darauf, dass mein Handledare am nächsten Tag wieder kommen würde.
Als ich am Dienstag nach der Frühbesprechung den Raum verließ und mich wieder zu Elisabeth stellte um sie zu begrüßen, drehte sie sich um und sagte: "Such dir einen anderen Arzt, ich hab schon Susanne." Ich war etwas perplex und wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte. "Wer ist denn dein eigentlicher Handledare?", fragte sie schnippisch. Mir fiel der Name nicht mehr ein. "Find's halt raus!", zischte sie und machte sich mit Susanne davon. Ich stand einfach nur da, mit offener Kinnlade und wusste einfach nichts zu sagen zu diesem Verhalten. Auch der Chef, Bo, hatte das mitbekommen und fand es ebenfalls nicht gut. Er schaute zuerst entsetzt zu mir und lief dann Elisabeth hinterher, um ihr zu sagen, dass er glaube, dass sie durch die vielen Krankheitsfälle gestresst sei, aber dass das kein Umgang sei und sie nicht so mit Studenten reden könne..." Nach einer Weile kam er wieder zurück und fragte mich, ob ich es als genauso unpassend empfunden hätte oder ob es nur ihm so vorgekommen sei. Natürlich fand ich es genauso unpassend. Ich war einfach nur wütend. Er sagte, dass ihr Verhalten absolut nicht akzeptabel sei, das wohl öfter vorkomme, auch gegen Assistenzärzte und dass er sie noch ein mal zur Rede stellen werde. Ich solle das auf jeden Fall am Ende des Kurses in meiner Evaluation erwähnen, so dass er etwas in der Hand habe. Ich war froh, dass er mir den Rücken stärkte, wobei es mich doch ein wenig überraschte. Er wusste auch nicht so recht, wem er mich nun zuteilen sollte und meinte dann nach kurzem Überlegen: "Ach, wenn du magst, kannst du heute mit mir mitkommen. Ist halt Geburtshilfe anstatt Gynäkologie." Das war mir nur Recht. Der Tag wurde auch sehr spannend. Es handelte sich um einen Sprechstunde-Tag. Es war ja mein erster Tag in der Obstetrik (Geburtshilfe - sagt man im Deutschen auch Obstetrik?) und deshalb sehr interessant. Einige Patientinnen kamen einfach nur zum Gespräch, um über den aktuellen Stand und die Geburtsplanung zu sprechen. Ein Paar kam aber zu einem Nach-Gespräch, nachdem es im Dezember das Kind durch eine Infektion in der 21. Woche verloren hatte. Es war eine ganz bedrückende Situation, da man sah, wie die Eltern noch immer unter dem Verlust litten. Aber man merkte, dass es ihnen half, mit dem Arzt zu sprechen und Fragen los zu werden über Risiken in der Zukunft und warum es dazu kam und ob man es hätte früher bemerken können und ob man hätte etwas dagegen tun können, hätte man es früher bemerkt usw. Ich war die ganze Zeit nur passiver Zuhörer, aber die Zeit ging superschnell vorbei. Bei einer Patientin, die kurz vor der Geburt stand, durfte ich dann versuchen, den Muttermund zu fühlen. Ich war dabei aber leider nicht so wirklich erfolgreich, bzw. war mir nicht so ganz im Klaren, ob ich ihn nun fühlte oder nicht ;) Aber war auch mein erster Versuch. Nach der Mittagspause ging es dann weiter mit Ultraschall-Sprechstunde. Hier wurden die Feten vermessen und dadurch das ungefähre Gewicht berechnet, es wurde auf Herzschlag und Bewegung geachtet, Bo schaute, ob eine ausreichende Menge Fruchtwasser vorhanden war und ob das Kind alles hatte, was es haben sollte. Ich habe zuvor noch nie einen live-Ultraschall bei Schwangeren gesehen und lernte deshalb sehr viel. Besonders interessant war eine Frau, über 40, die nach einer Ei-Spende mit Zwillingen schwanger geworden ist und nun zur Kontrolle kam. Das Komische an der Situation war: dabei war noch eine zweite Frau, die auch schwanger war, aber um einiges jünger zu sein schien. Noch komischer: diese zwei Frauen sahen sich ähnlich. Und ich spekulierte, ob es sich hierbei um Mutter und Tochter handelte, die gleichzeitig schwanger waren. Als sie wieder gegangen waren, stellte sich heraus, dass Bo auch darüber spekuliert hatte. Und so wunderfitzig (sorry für diesen Dialekt-Ausdruck *g*) wie wir waren, durchsuchten wir nochmal die Computerdaten und fanden heraus, dass es sich wohl um ein Paar handelte. Die werden mit ihren drei Kindern dann ganz schön was zu tun haben ;)
Nach diesem Tag war ich wieder etwas motivierter und war gespannt auf den nächsten Tag.
Dieser begann mit einer kleinen Frühbesprechung, bei welcher nur die Gynäkologen anwesend waren (hier an der Göteborger Klinik ist das streng aufgeteilt: Gynäkologen und Obstetriker). Heißt: Elisabeth und drei weitere Ärztinnen. Und, welch Überraschung: mein Handledare war noch immer krank. Oh nein. Ich konnte mir schon vorstellen, was das hieß. Da Elisabeth in dieser Gruppe leider die führende Position hatte, musste ich sie fragen, wem ich zugeteilt war. Und wie befürchtet kam die Antwort: "du kommst mit uns in den OP". Also gut. Ich watschelte mal wieder Elisabeth und Susanne hinterher. Und der Tag begann mit VEX - Abtreibungen durch Absaugung. Super. Die erste machte Elisabeth und die weiteren "durfte" dann Susanne machen. Ich fand das ganze ziemlich eklig. Erstens sieht es brutal aus und zweitens ist da dieser moralische Aspekt, der mich dem Ganzen etwas Kritisch gegenüberstehen lässt. Vor allem bei so Kommentaren wie: "wenn der Sauger dieses Geräusch macht, kannst du sehen, wie die Plazenta (Mutterkuchen) rausgesaugt wird", wird mir ganz anders. In Schweden darf bis zur 18. Woche begründungslos abgetrieben werden. An diesem Tag waren es vier Stück. Ich war froh, als diese rum waren und wir in einen anderen OP wechselten. Was stand an? Vaginale Hysterektomie. Yeah. Und wer operierte? Elisabeth mit Susanne, richtig. Was machte ich? Zuschauen, genau. Spannend. Ich wurde auch übrigens wieder die ganze Zeit komplett ignoriert, was mich mit der Zeit echt total annervte. Das war überhaupt kein "handledning". Mir wurde nichts erklärt, nichts gezeigt und machen durfte ich schon garnichts. Die anderen Studenten durften die ganze Zeit assistieren. Ich stand nur blöd rum. Gegen Mittag, als eine OP fertig war, fragte ich dann Elisabeth, ob ich weiterhin den ganzen Tag nur zuschauen würde. Sie drehte sich um und frage: "Was willst DU denn SONST machen?" Vielleicht mal assistieren? So wie alle anderen? So wie es eigentlich in diesem Kurs vorgesehen ist? "Schau halt in den anderen Sälen, ob du da assistieren kannst", war die Antwort. Aber das konnte ich nicht, da die anderen Säle ja ihre eigenen Studenten hatten. Sie zischte davon, diktierte ihren OP-Bericht und verschwand mal wieder. Und ich wartete. Wie immer. Irgendwann kam sie wieder und verschwand, ohne mich eines Blickes zu würdigen, mit Susanne im OP. Da wurde mir es dann echt zu blöd und ich ging. Vermutlich ist es ihr nicht mal aufgefallen, bzw. wenn es ihr aufgefallen wäre, hätte sie sich wahrscheinlich gefreut.
Halleluja, am Donnertag war mein Handledare, Bengt, wieder da. Ein lustiger alter, kleiner Mann mit dickem Bauch. Sehr sympathisch, aber leider kurz vor der Rente und wie so oft bei dieser Altersklasse hatte ich einige Verständnisprobleme. Was müssen die auch immer so nuscheln. Trotzdem war er sehr nett. Wir hatten Sprechstunde. Ich folgte ihm also, erleichtert, dass ich nicht wieder Elisabeth hinterherrennen sollte, auf Station und dann meinte er: "ich habe jetzt erst mal nur Papierkram zu erledigen. Wir treffen uns dann um 10 Uhr in der Sprechstunde". Geil. Dafür steht man um sechs Uhr auf, um um acht Uhr anzutreten - dafür, dass man dann erst mal zwei Stunden warten kann. Toll. Aber es blieb mir nichts anderes übrig. Um zehn Uhr kam ich dann zur Sprechstunde, aber wie es mein Glück so will, kam die erste Patientin nicht. Und das hieß: wieder ne halbe Stunde warten. Ich war echt genervt. Und was war es für ne Sprechstunde? - Abtreibungs-Vorgespräch-Sprechstunde. Das schien mich echt zu verfolgen. Wir hatten dann drei Patientinnen. Und ich stellte schockiert fest, wie leichtfertig hier Abtreibungen vorgenommen werden. Hier gilt das Prinzip: die Frau entscheidet über ihren Körper und wenn sie sagt, sie will eine Abtreibung, dann kriegt sie eine. Ist ja in gewisser Weise auch nachvollziehbar. Die Frauen rufen dann in der Klinik an, sagen, sie wollen eine Abtreibung, kommen dann ein Mal zum "Gespräch" und zur Untersuchung und ein paar Tage später haben sie dann ihren Termin. Aber das Ding ist: dieses Gespräch ist garnicht wirklich ein Gespräch. Es wird mal kurz gefragt, wieso, aber da der Termin, der ja auch noch eine Untersuchung beinhaltet, auf eine halbe Stunde angelegt ist, kann da nicht groß gesprochen werden. Und wenn man da eine junge Frau sitzen hat, bei der man merkt, dass sie sich in ihrem Entschluss eigentlich doch noch nicht wirklich sicher ist, die existenzielle Fragen stellt, weinend auf ihrem Stuhl sitzt und Fragen stellt wie: "töte ich denn damit bereits ein Leben?" oder "kann ich vielleicht irgendwie mit meiner Schwangerschaft Paaren helfen, die keine Kinder bekommen können?", dann wird in Schweden nicht z.B. ein Gespräch mit einem Sozialarbeiter angeboten. Nein, nach einer halben Stunde heißt es: wir müssen jetzt aufhören, dann und dann ist dein Termin bzw. hier sind die Tabletten, nimm die am Samstag um diese Zeit. Und damit ist das "Gespräch" beendet. Das fand ich doch ziemlich krass. Habe dann auch mit Bengt darüber gesprochen und gefragt, warum speziell bei solchen Fällen nicht Gespräche angeboten werden, damit sich die Frauen wirklich klar darüber werden können, was sie wollen oder nicht wollen. Aber er meinte dann: das sind ganz normale Reaktionen, sowas sehe ich hier jeden Tag. Damit war das Thema erledigt. Das hat mich doch etwas erschreckt. Vor allem, wenn man dann bei der Ultraschalluntersuchung sieht, dass der Zwerg da drin schon Arme und Beine hat und sich bewegt - wenn man sich dann vorstellt, dass er am nächsten Montag einfach weggesaugt wird, das ist schon erschreckend. Aber der Ultraschall wird nur gemacht, um sicher zu gehen, dass ne Schwangerschaft besteht, um zu vermessen, um sagen zu können, wie weit fortgeschritten die SS ist, um dann sagen zu können: vor der neunten Woche - Tabletten oder nach der neunten Woche - Chirurgie. Ich sage nicht, dass ich in jedem Fall absolut gegen Abtreibung bin. Aber das ist wirklich ein empfindliches Thema und meiner Meinung nach sollte man als Arzt bei einer Patientin, die offensichtlich noch nicht ganz gefestigt ist in ihrem Beschluss und einen Haufen Fragen hat, eher versuchen, unterstützend zur Seite zu stehen, indem man nochmal ein Gespräch anbietet, anstatt zu sagen: du bist hier, also bist du offensichtlich gefestigt in deinem Beschluss, also bekommst du auch deine Abtreibung.
Ich habe Bengt später gefragt, wie es denn für ihn ist, Abtreibungen durchzuführen und wie es am Anfang für ihn war. Und da fing er richtig an zu erzählen. Dass er nach seinen Anfängen nach einigen Monaten Albträume bekam (er schilderte diese überraschenderweise ganz genau, aber das lasse ich hier jetzt weg *g*), die ihn immer wieder heim suchten. Er ging dann in Therapie, was ihm offensichtlich dabei half, das Ganze besser zu verkraften. Leider wurde Bengt dann durch einen Telefonanruf zu einem Patienten gerufen und da die Sprechstunde vorbei war, bekam ich meine Unterschrift und wurde nach Hause geschickt. Echt schade, dieses Gespräch hätte noch sehr interessant werden können.
Jetzt habe ich aber mal wieder ne Menge gequatscht =o]
Mache hier mal Schluss für heute und wünsche euch allen ein schönes und erholsames Wochenende!

Sonntag, 31. Januar 2010

Kiruna - Teil 2

Sägen und Holzhacken stellte sich dann als relativ schwierige Aufgabe dar, da wir einmel stumpfe Hacken hatten und außerdem das Holz total gefroren war. Wir versuchten trotzdem unser Bestes und ein paar Kisten bekamen wir sogar voll. Trotzdem empfanden wir das Ganze etwas als Beschäftigungstherapie, da es durchaus auch elektrische Sägen gab... aber nunja. Zum Mittagessen gab es einen Rentier-Gemüse-Eintopf. Nachdem wir am Morgen die süßen Rentiere auf er Hinfahrt gesehen hatten, war es fast ein wenig komisch, diesen Eintopf zu essen, aber wir stellten schnell fest, dass er ziemlich gut schmeckte! Danach wurde weiter Holz gehackt (da fanden wir es dann langsam nicht mehr lustig), aber nach einer Weile schickte uns Stig zum Fluss hinunter, zum Eisfischen. Mittlerweile war es schon stockdunkel geworden (ab ca. 15 Uhr), aber dank des Schnees konnte man doch ein wenig was sehen. Auf dem zugefrorenen Fluss angekommen, suchte Stig nach einer selbstgesetzten Stock-Markierung und begann dann, um diesen Stock herum einen Eiswürfel auszusägen. Das war wohl auch nicht so einfach, da zu Beginn die Säge immer wieder ausging, sobald er sie auf das Eis aufsetzte. Aber es war ganz amüsant, ihm dabei zu zusehen. Als er den Stock aus dem Eis befreit hatte, sahen wir, dass an diesem Stock eine Schnur befestigt war, welche sich unter dem Eis hindurch bis zu einem anderen festgefrorenen Stock, ca. 20 m weiter, zog. Auch diesen Stock sägte er nun frei und erklärte uns, dass an dieser Schnur ein Fischernetz befestigt sei. Eine Person musste dann an dem einen Ende kontinuierlich noch mehr Schnur abwickeln, während Stig auf der anderen Seite das Netz aus dem Loch herauszog, um zu sehen, ob sich Fische in dem Netz verlaufen (bzw. verschwommen) hatten. Leider war dem nicht so. Durchgefroren und fischlos stiefelten wir wieder zurück ins Camp und verbrachten den Nachmittag mit Kartenspielen, zusammen mit den Chinesinnen. Wir zeigten ihnen zwei Spiele und sie zeigten uns ein Spiel, wobei sie sich bei den Regeln ihres Spieles selbst nicht ganz einig waren. Trotzdem hatten wir großen Spaß. Nach dem Abendessen durften wir saunieren. Die Sauna wurde bereits seit dem Nachmittag angeheizt und die Chinesinnen starteten die erste Runde. Wir spielten noch ein wenig Karten und warteten darauf, uns auch endlich mal so richtig aufwärmen zu dürfen (immerhin ein Mal an diesem kalten Tag). Zwischendurch verließen wir immer wieder die Hütte, um nach Nordlichtern Ausschau zu halten. Die Bedingungen waren eigentlich perfekt - ein sternenklarer Himmel. Aber vorerst hatten wir auch hier keinen Erfolg. Nach den Chinesinnen durften wir dann saunieren. Die Sauna wird mit einem richtigen Holzofen geheizt, was nochmal eine viel intensivere Wärme verursacht als bei unserer Sauna zu Hause. Abgeduscht wurde dann in der Sauna selbst - in einem großen Kessel befand sich Wasser aus dem Fluss, welches man sich dann mit Hilfe einer Gießkanne über den Kopf schüttete. Duschen gab es im Camp nicht. Als wir zurück zur Hütte schlenderten, hatten die anderen noch immer keine Nordlichter entdeckt. Wir warteten noch eine ganze Weile. Vor allem Tobi zeigte eine große Warte-Ausdauer, aber irgendwann verließ uns (und sogar ihn) die Motivation und wir gingen in die Sami-Hütte zum Schlafen. Dort hatten wir auch einen Ofen, den Tobi fleißig heizte. In zwei "Zimmern" gab es dort Holz-Britschen, auf welchen man sich dann mit Schlafsäcken einwickelte. Generell war es trotz Feuer ziemlich kalt, aber mit Klamotten und Schlafsäcken bekam man doch ganz warm. Nervig war nur, dass ein paar Chinesinnen die Nacht durchmachten und alle fünf Minuten zum Nordlichter-Fahnden rausgingen und dabei jedes Mal die Tür mit einem lauten Knall zufiel. Deshalb bekamen wir nicht wirklich viel Schlaf. Und Nordlichter gab es in dieser Nacht auch nicht. Ratet mal, was wir am nächsten Tag nach dem Frühstück machen mussten. Genau, Holzhacken. Yippiyayyäi. Denn es sollte zum Mittagessen Barbecue in der Barbecue-Hütte geben und dazu braucht man nun mal Holz. Ein paar Chinesinnen gingen zum Eisangeln, aber auch das sollte keine Erfolge bringen. Tobi und ich beschäftigten uns also mit Holz. Ist ja eigentlich ganz nett, sowas mal zu machen. Aber die Art und Weise, wie einen Stig ständig herumkommandiert hat, versaute die Stimmung doch beträchtlich. Und nachdem sich Tobi dann mit einem Stück Holz über dem Auge verletzte, ließen wir es einfach sein und gingen spazieren. Holz gab es später trotzdem, was unsere Beschäftigungs-Therapie-Theorie bestätigte. Gegrillt wurden Lyoner-Würste und dazu gab es Kartoffelbrei und Bohnen. Ganz lecker eigentlich. Und nach dem Essen war es dann auch schon wieder Zeit zum Packen und Abreisen. An diesem Tag war es unglaublich kalt: -30 Grad. Das ist eine Temperatur, bei der einem das Gesicht weh tut. Unglaublich kalt. Aus diesem Grund wurden wir auch nicht mit Hundeschlitten abgeholt, sondern nur mit Snowmobilen. Tobi durfte fahren und wir anderen saßen, mit dem Rücken in Fahrtrichtung, auf dem Anhänger. Unterwegs, mitten in der Pampa, wurden wir plötzlich angehalten: Polizei - Alkoholkontrolle. Ohne Scheiß! Ich kam mir ein bisschen vor wie bei Versteckte Kamera. Die fahren mit ihren Mobilen durch das Nirgendwo und wenn sie irgendwo mal ein anderes Mobil finden, wird gepustet. Aber alles war in Ordnung und so durften wir gleich wieder weiterfahren. Aber wir fühlten uns wirklich, wie wenn wir erfrieren würden. Die Füße wurden nach kurzer Zeit taub und nach einer weiteren Zeit fingen sie an, weh zu tun. Das fühlt sich an, wie wenn man die Füße barfüßig in die Tiefkühltruhe steckt. Nicht, dass ich das schonmal gemacht hätte, aber so stelle ich mir das jedenfalls vor. Es war schrecklich. Wir waren alle heilfroh, als wir an der Hundestelle ankamen. Dort verabschiedeten wir uns von den Hunden, halfen, diese wieder in den Hundehänger zu verfrachten und zogen uns dann um. Tobi und ich hatten die tolle Idee, unsere normalen Schuhe dort stehen zu lassen über die zwei Tage. Wir zogen also die Boots aus und mussten in ca. -30 Grad kalte Schuhe rein. Auf der Autofahrt glaubten wir wirklich, die Füße würden uns gleich abfallen. Aber das passierte zum Glück nicht. Was für eine Wohltag es dann war, in der Jugendherberge heiß zu duschen. An diesem Abend gingen wir nur noch einkaufen, kochten uns was zu essen und kuschelten uns ins warme Bett.
Am nächsten Tag ging es dann wieder mit dem Nachtzug zurück in Richtung Göteborg. Dieses Mal kam der Zug glücklicherweise pünktlich und wir kamen einigermaßen in der Zeit in Göteborg an. Ursprünglich hätten wir uns noch gerne das Eishotel in Kiruna angeschaut, aber dafür hatten wir leider keine Zeit mehr, da ja der erste Kiruna-Tag durch die acht Stunden Verspätung ganz wegfiel.


Im Nachhinein kann man sagen, dass es wirklich ein tolles Erlebnis war, diese Landschaft und dieses Klima ein mal gesehen und erlebt zu haben. Ich hätte mir nie vorstellen können, wie sich eine solche Kälte anfühlt. Trotzdem haben diese wenigen Tage durchaus gereicht und wir waren heilfroh, wieder in etwas wärmere Gegende zu kommen ;)
Hier geht es zu den Fotos: http://picasaweb.google.com/lenschnpost/Kiruna#

Samstag, 23. Januar 2010

-30 Grad und Bootcamp-Verhältnisse bei Stig

Am Mittwoch-Nachmittag fuhren wir also von Göteborg nach Stockholm. Dort kamen wir mit einer halben Stunde Verspätung an und hatten schon Angst, unseren Nachtzug zu verpassen, da dieser eigentlich in genau dieser Minute abfahren sollte. Als wir jedoch in Stockholm auf die Anschlagstafel schauten, stellten wir fest, dass unser Zug zwar drauf stand, aber kein Gleis angegeben war, auf welchem er einfahren sollte. Wir hetzten zum nächsten Bahn-Angestellten und fragten ihn danach. Dieser wusste es jedoch auch nicht und meinte, wenn der Zug, der ja offensichtlich auch Verspätung hatte, ankommen sollte, würde es vorher an der Tafel angekündigt werden. Also gut. Kurz darauf wurde angezeigt, dass der Zug eine Stunde später ankommen sollte. Also noch genug Zeit, uns irgendwo etwas Warmes zu Essen zu besorgen. Eine Stunde später kam der Zug tatsächlich und wir quartierten uns, zusammen mit zwei Chinesen, in unserem Schlafquartier ein. Noch gingen wir davon aus, am nächsten Tag vormittags in Kiruna anzukommen. Doch dazu sollte es leider nicht kommen. Nach einer rumpeligen Nacht in unserem stickigen Abteil blieb der Zug plötzlich im Bahnhof von "Boden" stehen und rührte sich nicht mehr von der Stelle. Wir warteten und warteten, aber es ging nicht weiter. Nach einer Stunde ca. kam eine Durchsage, dass es sich um technische Probleme handele, die hoffentlich bald behoben werden würden. Ok. Also warteten wir weiter. Etwas anderes blieb uns ja nicht übrig. Aber es blieb leider nicht bei einer Stunde warten. Um vierzehn Uhr kam dann die "erlösende" Durchsage, dass der Zug aufgrund der technischen Probleme nicht mehr weiterfahren könne und wir von Bussen abgeholt werden würden, die uns zu unseren Zielen fahren würden. Wir packten unsere Sachen zusammen, verließen den Zug und liefen durch die Bahnhofshalle in Richtung Busse, die glücklicherweise bereits auf uns warteten. Dann ging es mit dem Bus weiter in Richtung Kiruna - noch einmal drei Stunden Fahrt. Gegen siebzehn Uhr hatten wir dann endlich unser Ziel erreicht: KIRUNA. Schade nur, dass es bereits dunkel, wir total müde und der erste Tag des "Kurzurlaubes" bereits so gut wie verstrichen war. Wir machten uns mit Sack und Pack auf den Weg, auf die Suche nach unserer Unterkunft "Wandrarhem". Dank Tobis handgemalter Stadtkarte fanden wir diese auch bald und nachdem wir noch ein paar Lebensmittel eingekauft und etwas zu Essen gekocht hatten, gingen wir erschöpft schlafen. Schließlich erwarteten uns aufregende Tage.
Am nächsten Morgen mussten wir bereits früh aufstehen, da wir um neun Uhr von einem Hundeschlitten-Tour-Mitarbeiter abgeholt werden sollten und vorher noch frühstücken und auschecken mussten. Wie wir jedoch eigentlich hätten ahnen konnten, kam dieser, passend der schwedischen Mentalität, nicht wirklich pünktlich. Das Wetter war an diesem Morgen bereits viel eisiger als am Abend zuvor und so waren wir heilfroh, als wir mit einem klapprigen Kleinbus vor der Unterkunft eingesammelt wurden. Aber die Reise ging noch nicht direkt los, zuerst mussten wir eine weitere Gruppe an einer anderen Unterkunft abholen. Hierbei handelte es sich um eine chinesische Reisegruppe von zehn Personen. Diese hatten jedoch, nachdem sie bei unserem Reiseleiter per Mail angefragt hatten und angeblich keine Antwort erhalten hatten, noch bei einem weiteren Reiseleiter angefragt und wohl offensichtlich doppelt gebucht. Der Ärger war also vorprogrammiert, als zwei Veranstalter gleichzeitig bei der Unterkunft eintrafen und die Gruppe abholen wollten. Beide Veranstalter wollten natürlich die Gruppe und somit das Geld haben, die Gruppe wollte aber natürlich nicht doppelt zahlen. Also gab es eine große, zeitaufwändige, von Verständigungsschwierigkeiten geprägte Diskussion. Wir schauten uns diese vom Auto aus an, denn dort war es wärmer als draußen. Das Problem war: für dieses Problem gibt es nicht wirklich eine Lösung. Wie sich alle letztendlich geeinigt hatten, weiß ich nicht, auf jeden Fall fuhr die Gruppe letztendlich mit dem anderen Veranstalter mit. Nach einer halben Ewigkeit ging es dann endlich los in Richtung Pampa. Unterwegs mussten wir einmal für fünf Minuten mitten auf der Landstraße anhalten, da eine Gruppe Rentiere die Straße überquerte. Wir mussten geduldig warten, bis auch das letzte Tier auf der anderen Seite war, denn wenn man die Tiere stresst, bleiben sie wohl erst recht auf der Straße stehen. Für uns war es aber eine tolle Gelegenheit, echte Rentiere zu beobachten. Wann hat man diese Gelegenheit schon mal? Leider hatten wir die Kamera mit unserem Gepäck im Kofferraum verstaut.
Eine halbe Stunde später kamen wir an unserem Startpunkt an, wo bereits eine weitere Chinesen-Gruppe, eine weitere Mitarbeiterin und ein Rudel Hunde auf uns warteten. Es war wahnsinnig kalt. Netterweise bekamen jeder ein Paar warme Hosen, Handschuhe und Schnee-Schuhe. Dann gingen wir zu den Hunden, um diese zu begrüßen. Diese waren bereits vor lauter Freude auf die kommende Fahrt total aus dem Häuschen und sprangen wir verrückt im Kreis, soweit das ihre Leine, mit der sie an einer langen Schnur befestigt waren, zuließ. Wir waren, abgesehen von den Betreuern, die einzigen Europäer in dieser Gruppe. Der Rest der Gruppe bestand aus sechs Chinesinnen, von denen leider nur zwei einigermaßen Englisch sprachen. Nach einer kurzen Einführung bezüglich Hundeschlitten und Snow-Mobil ging es endlich los: wir spannten die Hunde vor die Schlitten. Der Plan war, dass ein Betreuer mit einem Snow-Mobil + Gepäck-Anhänger vorausfuhr, dann sollten zwei Hundeschlitten mit jeweils drei Personen folgen und hinten dann ein zweites Snow-Mobil mit Personenanhänger. Tobi, ich und Juan begannen mit dem ersten Hundeschlitten. Vor jeden Schlitten wurden fünf Hunde gespannt. Meine Aufgabe war es, den angeschnallten Alpha-Hund festzuhalten, während die anderen Hunde hinter ihm befestigt wurden. Die Hunde bellten und jaulten, das war ein wahnsinniger Krach! Sie konnten es offensichtlich kaum erwarten. Tobi stand hinter dem Schlitten auf der Bremse, um zu verhindern, dass sich dieser frühzeitig in Bewegung setzte. Als alle Hunde befestigt waren, setzten sich Juan und ich auf den Schlitten, während Tobi für das erste Stück das Bremsen übernehmen sollte. Er stand dazu hinter dem Schlitten auf den Kufen und bremste bei Bedarf, wenn die Hunde dem Snow-Mobil zu nahe kamen oder dieser langsamer machte. Und dann setzte sich die Gruppe in Bewegung. Das Snow-Mobil startete und die Hunde preschten los. Sie rannten und zogen wie verrückt. Durch den Farhtwind war es unglaublich kalt. Wir spürten, wie unsere Zehen bereits nach wenigen Minuten zu Eis zu erstarren drohten und unsere Gesichter taten einfach nur weh. Es waren -18 Grad. Vor dem Start machte mich ein Betreuer auf meine Nase aufmerksam, diese sei weiß und dies seien erste Anzeichen für Erfrierungen. Ich sollte sie immer wieder in meinem Handschuh aufwärmen, um Schlimmeres zu verhindern. Na toll. Diesem Rat ging ich natürlich nach. Nach jedem zurückgelegten Kilometer machten wir Halt, um die Hunde Schnee fressen zu lassen, damit sie Wasser zu sich nehmen konnten. Wir nutzten die Pausen, um die Positionen zu tauschen, so dass jeder einmal den Schlitten fahren konnte. Nach drei Stops wechselte dann meine Gruppe zum Snow-Mobil. Dort durften Tobi und ich auch selbst fahren, Juan hatte aber keinen Führerschein. Während unserer Fahrt ging die Sonne hinter dem Horizont auf. Das war ein wunderschöner Anblick! Die verschneite und vereiste Landschaft wurde in einen rotorangenen Mantel gehüllt. Unglaublich! Nach ca. eineinhalb Stunden hatten wir unser Ziel erreicht. Im Voraus waren wir fast enttäuscht darüber, zu hören, dass wir nur "so kurz" fahren würden. Aber als wir ankamen, waren wir heilfroh. Wir waren so durchgefroren! die Hunde wurden von den Schlitten befreit und bekamen zu fressen. Wir waren überrascht zu hören, dass wir uns gerade auf einem Fluss befanden. Das konnte man überhaupt nicht erahnen, da weit und breit einfach nur eine weiße Fläche zu sehen war. Nun mussten wir noch eine kleine Strecke zu Fuß gehen und dann kamen wir beim Camp an. Zuerst versammelten wir uns alle für einige Minuten in der Küche-Hütte, um uns etwas aufzuwärmen. Die Zehen schmerzten! Doch dieses Wärme-Glück wurde uns nicht lange gegönnt. Wir lernten unseren Betreuer für die kommenden Tage kennen: Stig. Stig ist ein läppischer Rentier-Farmer, der sich als Betreuer ab und zu noch etwas dazu verdient. Er war uns vom ersten Augenblick an unsympatisch und dieser Eindruck sollte sich auch nicht mehr ändern. Der erste Kommentar war: "wenn ihr etwas zu essen haben wollt und heute Abend die Sauna nutzen möchtet, dann zieht euch jetzt wieder eure Schuhe an und geht raus zum Holz sägen. Wir brauchen sechs Kisten Feuerholz! Los!"
Das waren die Begrüßungsworte. Willkommen im Bootcamp!
Fotos und Teil 2 meines Kiruna-Berichtes folgen.
Liebe Grüße, Lena =o]