Mittwoch, 9. September 2009

Kleidersuche auf "plan 4"


Was für ein aufregender Tag liegt hinter mir! Wenn ich die letzten Stunden in Gedanken rekapituliere, steigt mein Adrenalin gleich wieder aufs Neue an, aber wir wollen ja chronologisch vorgehen...

gestern fuhr ich um 17 Uhr zu meinem ersten "jour" - Dienst. Ich traf mich mit Inas (Kommilitonin, die mit mir gemeinsam Dienst hatte) vor dem Krankenhaus, da ich alleine in diesen Gebäuden total aufgeschmissen bin. Dank ihrer Sprach- und Sachkenntnis fanden wir die "ortopedisk akuten" - orthopädische Notaufnahme - ziemlich schnell. Da das Mölndal-Krankehaus momentan umgebaut wird, ist alles noch viel unübersichtlicher, als die Krankenhäuser hier in Göteborg sowieso schon sind. Aber da wir uns gleich in der ersten Minute an die Fersen zweier Ärzte hefteten, mussten wir uns garnicht mehr selbst orientieren und konnten einfach, wie kleine Enten ihrere Mutter, hinterhertapseln. Leider kamen gestern Abend relativ wenige Leute im Mölndaler Gebiet auf die Idee, sich was zu brechen oder sich die Hüftprothese auszurenken. Hatten schon ein paar interessante Fälle und ich blühe voll darin auf, Detektiv-mäßig Röntgenbilder auf Frakturen hin zu analysieren, aber leider standen wir auch total viel rum und ich hatte sogar das Gefühl, dass den diensthabenden Ärzten selbst auch etwas langweilig war. Ein ziemlich spannender Fall: Opa, der sich seine Hüftprothese ausgekugelt hat. Den ham se mit Schmerzmittel und Muskelrelaxanzien abgeschossen, aber hams trotzdem nicht hingekriegt, sie wieder einzurenken. Also musste er in Vollnarkose gelegt werden, damit man die Hüfte wieder so hinkriegt, wie sie gehört.
Also Fazit: Ortho total interessant, aber bitte etwas mehr Action beim nächsten Mal ;)

Action hatte ich dann dafür heute. Allerdings mehr mentaler Art und Weise. Als ich mit meinen Kommilitonen/innen in die "ortopedisk mottagningen" - orthopädische Sprechstunde - kam, wurden wir sofort in die Dreiergruppen eingeteilt. Meine Gruppe wurde einer jungen Ärztin zugeteilt, die wir gestern bereits in einem Seminar hatten und die ich sofort ins Herz geschlossen habe, da ich sie relativ gut verstehe. Diese Sympathie wurde aber schnell wieder getrübt, als sie uns mitteilte: "heute Vormittag werden wir uns drei Patienten anschauen - du (Inas) übernimmst den ersten, du (ich) den zweiten und du (Homa) den dritten. Ihr führt das Patientengespräch, führt eigenständig die Untersuchung durch und diktiert dann im Anschluss auch den Arztbrief." Ja. Gut. Ich stand erst mal da, schaute wahrscheinlich wie ein Auto und bekam sofort den ersten Schweißausbruch des Tages - und das um acht Uhr morgens. Na wenn das mal kein guter Start in den Tag ist. Versuchte dem gleich etwas entgegen zu wirken und erzählte meine Standardsätze, dass ich aus Deutschland komme, dass es erst meine dritte Woche ist und ich noch große Probleme habe, andere zu verstehen und mich mit ihnen zu unterhalten. Irgendwie zog das aber nicht so wirklich und sie meinte nur: keine Panik, das kriegen wir schon hin... Ok. Hatte ja erst mal noch ein bisschen Zeit. Wir gingen dann alle zusammen zur ersten Patientin und Inas erledigte ihre Aufgabe hervorragend. Wir waren alle dabei und schauten/hörten zu und die Ärztin korrigierte oder ergänzte bei Bedarf. Im Anschluss an die Untersuchung gingen wir nochmal alles durch und sie erklärte Inas, was sie alles in dem Brief diktieren solle. Da Inas in den letzten Semestern bereits einen Job als "Arztbrief-Schreiber" hatte, fiel ihr das auch nicht schwer. Eigentlich wäre ich nun dran gewesen. Aber ich fragte, ob ich nicht vielleicht den dritten Patienten übernehmen könne, damit ich noch ein mal zuschauen kann. War glücklicherweise kein Problem. Homa machte ihren Job auch ziemlich gut. Nachdem wir dann im Arztzimmer das Überweisungsschreiben von meinem Patienten angeschaut hatten, den ich untersuchen sollte und ich schon total panisch wurde, machten wir erst mal eine Kaffeepause (Pause ist überhaupt das Lieblingshobby der Schweden - an Vorlesungstagen haben wir spätestens nach jeder dreiviertel Stunde ne Pause). Aber ich kam doch nicht drumrum. Auch die schönste Kaffeepause geht vorbei und so sah ich mich irgendwann, mit einem Puls von mindestens 130, die Tür zum Untersuchungszimmer öffnen und den Raum betreten, in meinem Kopf ein einziger Salat bestehend aus schwedischen Wörtern und Satzteilen. Ich beschränkte mich dann aber doch erst mal auf ein "Wie geht es Ihnen" und "können Sie mir bitte erzählen, warum Sie heute hier sind." Und dann purzelten die Wörter nur so aus der Patientin heraus. Sie redete und redete und ich verstand - ziemlich wenig. In dieser Situation kam ich auch blöderweise garnicht auf die Idee, sie darum zu bitten, langsamer zu sprechen, sondern ich versuchte, so viel zu verstehen wie irgendwie möglich und hoffte, in meiner nächsten Frage nicht genau das zu fragen, was sie gerade erzählt hatte. Mir fielen eigentlich sogar relativ viele Fragen ein und ich glaube, die Patientin verstand mich auch, nur leider verstand ich sie nicht so gut. Nunja. Immerhin wurde es ein flüssiges Gespräch ;) Als ich irgendwann nichts mehr zu fragen wusste, ergänzte die Ärztin noch ein paar Fragen und dann ging es auch schon weiter mit der Untersuchung. Das hat eigentlich Spaß gemacht, weil bereits aus den Ergebnissen eines MRTs der Verdacht auf medialen Meniskusschaden bekannt war und ich so mit meinen Untersuchungsergebnissen nicht nen total falschen Treffer landen konnte. Achja, der Verdacht bestätigte sich ebenso in meinen Untersuchungen ;) Die Patientin wird sich in nächster Zeit einer Arthroskopie unterziehen. Ja. Danach wäre eigentlich das Briefdiktieren dran gewesen. Meine Ärztin meinte, ich solle mich nicht so anstellen, ich hätte doch gut Schwedisch gesprochen und ich würde das schon hinkriegen, aber als ich ihr dann den Vorschlag machte, dass ich zuerst alles aufschreiben müsste, um es dann dem Band vorzulesen, zog sie es doch vor, den Fal selbst schnell zu diktieren. Denn das hätte die Vorgabe "eine Stunde pro Patient" um einige Stunden gesprengt ;) Nach "meiner Patientin" war dann erst mal "lunch" (gesprochen "lünch") - also Mittagspause.

Nach dem Essen wurden wir einzeln jeweils einem Arzt zugewiesen und ich folgte die folgenden Stunden einem Orthopäden, der sich auf Prothesen spezialisiert hat und somit Sprechstunde gab für Patienten, die auf eine Prothesen-OP vorbereitet werden sollten, die eine OP bereits hinter sich hatten oder bei denen die Frage bestand, ob eine Prothese in Erwägung gezogen werden kann. Die meisten waren Arthrosepatienten älteren Semesters, aber ich fand diese Stunden total interessant. Habe selbst nichts gemacht, aber dafür konnte ich ganz "entspannt" zu hören und Vokabeln mitschreiben.

Die eigentliche Action des Tages kam dann im Anschluss. Um halb vier durfte ich gehen. Ich holte also meine Tasche und ging wieder ins vierte Stockwerk - "Plan 4" - , wo ich am Morgen meine Klamotten bei einer Kommilitonin mit in den Spind geschmissen hatte, da mein Schloss in einem anderen Krankenhaus an nem Spind hängt. Als ich dort ankam, war der Spind offen, das Schloss weg, die Studentin auch weg und meine Klamotten + Schuhe auch. Hm - was nun? Ich hatte keine Handynummer von ihr, wusste lediglich, dass sie mit Vornamen Sofia heißt. Ich rief Inas an, aber die hatte ihre Nummer auch nicht. Also lief ich wieder runter in die Ambulanz und schaute dort im Arzt- und Personalzimmer, fand dort aber auch keine Klamotten. Also rannte ich wieder hoch und schaute nochmal alles durch - keine Kleider. Ich war ziemlich planlos und wusste nicht, wo ich suchen sollte oder wen ich fragen könnte. Ich quatschte dann eine Sekretärin an, deren Büro sich in der Nähe der Umkleide befindet und fragte sie, ob bei ihr vielleicht was abgegeben wurde. Fehlanzeige. Sie fragte, wie das Mädchen denn heiße. Sofia. Damit konnte sie natürlich auch nicht viel anfangen. Wir riefen dann die Ärztin an, die uns am Morgen betreut hatte und fragten, ob sie vielleicht eine Namens- und Telefonliste von uns Studenten habe, hatte sie auch. Also rief ich Sofia an. Am anderen Ende meldete sich aber ein Mann, der mich pausenlos auf Schwedisch zuprabbelte und garnicht darauf reagierte, dass ich nach Sofia fragte. Nach zwanzig Sekunden pausenlosem Geprabbel legte er einfach auf. Ich war total perplex. Die Sekretärin war so nett und probierte es auch. Obwohl sie Schwedisch sprach, reagierte der Typ auf sie genauso wenig und legte kurz darauf einfach wieder auf. Nein, es handelte sich nicht um ne Mailbox ;) Jetzt hatten wir also ne Nummer von Sofia, aber ich erreichte sie nicht. Ich beschloss also, noch ein mal in die Ambulanz zu gehen und nach der Ärztin zu suchen, vielleicht wusste sie ja irgendwas. Kurz vor der Ambulanz kam mir dann Homa entgegen und rief mir zu, dass sie meine Klamotten in ihren Spind gelegt habe, da Sofia mittags bereits heimgegangen war und dass sie vergessen habe, mir eine SMS zu schreiben, da es in der Ambulanz so spannend war. Da fiel mir echt ein riesen Stein vom Herzen ;) Sie entschuldigte sich tausend Mal, aber ich war einfach nur froh, meine Sachen wieder zu haben und endlich nach Hause fahren zu können.

Habe ich euch eigentlich schon erzählt, dass die tolle Baufirma von der Baustelle gegenüber sich überlegt hat, vorgestern Nacht, gestern Nacht und heute Nacht durchzuarbeiten? Denn tagsüber ist total viel Verkehr auf der Straße und deshalb eignen sich die Nächte besser, um - haltet euch fest - DIE STRAßE AUFZUREIßEN! Ja! Das ist wirklich unglaublich. Das ist auch der Grund dafür, dass ich seit zwei Nächten so gut wie nicht geschlafen habe, da das nicht nur tierisch laut ist, sondern man außerdem ab und zu die Erschütterungen sogar im Boden und somit im Bett spürt.

Ich brauche dringend Schlaf. Oropax wollen in meinen Ohren irgendwie nicht halten. Deshalb hoffe ich hoffe ich hoffe ich hoffe ich, dass die mich endlich wieder mal schlafen lassen nachts. Hinzu kommt, dass ich mir ne Erkältung eingefangen habe, was mich zusätzlich vom Schlafen abhält (hoffentlich keine "svininfluenca"). Also drückt mir die Daumen, dass die ganz schnell wieder Ruhe geben. ;)


Hm eigentlich dachte ich, wenn ich regelmäßiger schreibe, wird's nicht mehr so viel - damit euch nicht die Lust vergeht, weiterhin meine Einträge mitzuverfolgen - aber irgendwie sind dann doch noch mehr Erlebnisse aktuell und so wird es trotz allem wieder viel *g*.

Durchhalten!


Liebe Grüße vom müden Lenschn =o]

1 Kommentare:

Joachim hat gesagt…

Wir lesen schon alles, was du schreibst, keine Sorge. Wird alles verschlungen.
Du musst die Ohren schön nach hinten oben ziehen, wie in HNO gelernt, und die Ohropax schön tief versenken, dann halten sie vielleicht bisle besser.
Ansonsten (hehe) wünsch ich dir viele spannende Fälle bei vielleicht ein klein wenig weniger Spannung außendrum.
Enjoy!

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